18.09.2025

(E-)Mails als vorzulegende Handels- und Geschäftsbriefe

1. Handels- und Geschäftsbriefe im Sinne von § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) können auch E-Mails sein.
2. (Digitale) Unterlagen über Konzernverrechnungspreise unterfallen dem Anwendungsbereich des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.
3. Die Finanzverwaltung ist im Rahmen der Außenprüfung grundsätzlich berechtigt, vom Steuerpflichtigen sämtliche E-Mails mit steuerlichem Bezug anzufordern.
4. Mangels Rechtsgrundlage ist es der Finanzverwaltung aber verwehrt, ein sogenanntes Gesamtjournal zu verlangen, das einerseits erst noch erstellt werden müsste und andererseits auch Informationen zu solchen E-Mails ent­hält, die keinen steuerlichen Bezug haben.

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 30.4.2025 - XI R 15/23

AO § 90 Abs 3, AO § 119 Abs 1, AO § 147 Abs 1 Nr 2, AO § 147 Abs 1 Nr 3, AO § 147 Abs 1 Nr 5, AO § 147 Abs 6, AO § 200 Abs 1 S 2
HGB § 343
GAufzV § 4 Abs 3 S 4
FGO § 76 Abs 1, FGO § 77 Abs 1 S 4, FGO § 96 Abs 2
GG Art 103 Abs 1


Die Anforderung von Unterlagen "en bloc" ist im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung zulässig und verstößt nicht gegen § 119 Abs. 1 AO. Insbesondere wegen der oftmals vorhandenen Unkenntnis der Verwaltung über das Vorhandensein konkreter Unterlagen ist ein Vorlageverlangen regelmäßig noch hinreichend bestimmt, das sich beispielsweise auf "Eingangs- und Ausgangsrechnungen", "Belege zu baren Geschäftsvorfällen", "Unterlagen über die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" oder "Unterlagen über die Einkünfte aus Kapitalvermögen" erstreckt. Entsprechend war im Streitfall das Vorlageverlangen des FA nicht zu beanstanden. Auch konnte das FA es der Steuerpflichtigen überlassen, die einschlägigen E-Mails herauszusuchen.

In der Sache folgt die Pflicht zur Vorlage der E-Mails aus § 147 Abs. 6 AO; denn diese sind aufzubewahren.

Nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 AO hat der Steuerpflichtige die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe geordnet aufzubewahren. Gleiches gilt nach § 147 Abs. 1 Nr. 3 AO für Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe.

Aufbewahrungspflichtig sind danach nicht nur die Ein- und Ausgangsrechnungen von Handelsgesellschaften, sondern aufzubewahren ist die gesamte, den betrieblichen Bereich betreffende Korrespondenz, soweit sie sich auf die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäfts im Sinne des §§ 343, 344 HGB bezieht. Auf die Form kommt es dabei nicht an; auch Fernschreiben, Telegramme und insbesondere E-Mails sind grundsätzlich aufbewahrungspflichtig. Dies gilt nach Auffassung des BFH jedenfalls insoweit, als die E-Mail selbst ‑‑ und nicht lediglich ihr Anhang ‑‑ rechnungslegungsrelevante Informationen enthalten; ansonsten ist jedenfalls der Anhang aufzubewahren.

Das FA konnte daher zutreffend die Vorlage derjenigen E-Mails verlangen, welche sich auf die Vorbereitung, den Abschluss und auch auf die Durchführung des Agreements beziehen. Durch die Konkretisierung des Vorlageverlangens auf das Agreement erfährt das Vorlageverlangen die gebotene Beschränkung auf rechnungslegungsrelevante Informationen.

Zurecht hatte das FA im Streitfall unter Berufung auf § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO auch die Vorlage derjenigen E-Mails verlangt, die sich auf die Verrechnungspreisdokumentation der Steuerpflichtigen beziehen. Denn Dokumentationen über Konzernverrechnungspreise unterfallen nach Auffassung des BFH dem Anwendungsbereich des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.

Das Verlangen auf Erfüllung der Vorlagepflicht war auch verhältnismäßig und frei von Ermessenfehlern. Der Eingriff mittels Vorlageverlangen überlässt es der Steuerpflichtigen, welche E-Mails oder Daten sie im Einzelfall vorlegt. Damit ist es ihr unbenommen, solche Daten, die gerade nicht steuerlich relevant sind, zu selektieren. Mit Recht darf sich das FA deshalb darauf berufen, die Vorlage der Unterlagen diene als Nachweis über die Vollständigkeit der erklärten Betriebseinnahmen sowie zur Überprüfung der angewandten Verrechnungspreismethode. Ohne Vorlage der begehrten E-Mails wäre dem FA jegliche Möglichkeit genommen, die Angaben der Steuerpflichtigen sowohl im Hinblick auf die Verrechnungspreismethode als auch hinsichtlich der Art und des Umfangs ihrer Tätigkeiten zu überprüfen.

Auch dem Schutz der persönlichen Daten wird durch das streitgegenständliche Auskunftsverlangen hinreichend Rechnung getragen. Denn der Datenzugriff wird nicht außerhalb der Sphäre des Steuerpflichtigen ‑ ‑etwa unter Speicherung auf einem mobilen Laptop ‑‑ erfolgen, sondern nur in den Geschäftsräumen der Steuerpflichtigen oder den Diensträumen der Finanzverwaltung.

Dagegen war die Aufforderung des FA an die Steuerpflichtige, im Rahmen der Außenprüfung ein sogenanntes Gesamtjournal in digitaler Form bereitzustellen, welches ‑‑ vom FA im Einzelnen bestimmte ‑‑ Informationen zu jedweder E-Mail-Korrespondenz der Steuerpflichtigen und ihrer Mitarbeiter zu enthalten habe, bereits mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Ein solches Vorlageverlangen in Bezug auf ein Gesamtjournal kann nicht auf § 147 Abs. 6 AO gestützt werden.

Sind Unterlagen nach § 147 Abs. 1 AO mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden, hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung zwar das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen (§ 147 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 AO). Sie kann im Rahmen einer Außenprüfung auch verlangen, dass ihr die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden (§ 147 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AO) oder dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden (§ 147 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AO).

Voraussetzung für die Datenanforderung nach § 147 Abs. 6 AO ist allerdings das Bestehen einer Aufbewahrungspflicht. Der Finanzbehörde stehen diese Befugnisse deshalb nur in Bezug auf solche Unterlagen zu, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat. Dementsprechend ist es bereits grundsätzlich ausgeschlossen, dass die Finanzverwaltung mittels Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO Einsicht in Unterlagen verlangen kann, die zwar vorhanden sind, aber vom Steuerpflichtigen nicht aufbewahrt werden müssen.

Als Rechtsgrundlage für die Vorlageverpflichtung eines ‑‑ noch zu erstellenden ‑‑ Gesamtjournals kann auch nicht § 200 Abs. 1 Satz 2 AO dienen. Vom Datenzugriffsrecht nach § 147 Abs. 6 AO zu unterscheiden ist das Vorlageverlangen nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO. Hiernach ist ein Steuerpflichtiger im Rahmen der Außenprüfung unter anderem zur Vorlage von Aufzeichnungen, gegebenenfalls Büchern, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verpflichtet. Damit können auch Unterlagen vorzulegen sein, für die keine Aufbewahrungspflicht besteht; allerdings bezieht sich diese Pflicht lediglich auf tatsächlich vorhandene Unterlagen. Ist das gewünschte (digitale) Gesamtjournal tatsächlich nicht vorhanden, kann seine Vorlage schon deshalb nicht nach § 200 Abs. 1 Satz 2 AO verlangt werden.
Verlag Dr. Otto Schmidt