Einheitlicher Erwerbsgegenstand: Grundstückserwerb durch eine zur Veräußererseite gehörende Person
Kurzbesprechung
BFH v. 2.7.2025 - II R 19/22
GrEStG 1983 § 8 Abs 1, GrEStG 1983 § 9 Abs 1 Nr. 1, GrEStG 1983 § 1 Abs 1 Nr. 1
AO § 121, AO § 5
FGO § 118 Abs 3 S 2
1. Erforderliche Ermessenserwägungen bei Inanspruchnahme nur eines Vertragsbeteiligen
Schuldner der Grunderwerbsteuer sind gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen als Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 Satz1 AO. Jeder der Gesamtschuldner schuldet die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Entscheidung, gegen welchen der Gesamtschuldner die Grunderwerbsteuer festgesetzt wird, hat das FA nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (§ 5 AO). Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen, zunächst denjenigen zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen, der im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat, und den anderen Vertragsteil erst dann, wenn die Steuer von jenem nicht zu erlangen ist.
Die Ermessensentscheidung bedarf nach Maßgabe des § 121 Abs. 1 AO einer Begründung, soweit diese zum Verständnis des Steuerbescheids erforderlich und die Begründung nicht nach § 121 Abs. 2 AO entbehrlich ist. Die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners, der nach den Vereinbarungen der Vertragspartner nicht verpflichtet ist, die Grunderwerbsteuer zu tragen, ist regelmäßig zu begründen. Fehlt die erforderliche Begründung und wird sie auch nicht in zulässiger Form nachgeholt, ist der Steuerbescheid bereits aus diesem Grund rechtswidrig und aufzuheben.
Im Streitfall war der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid rechtswidrig, da das FA sein Auswahlermessen in Bezug auf die Inanspruchnahme der Steuerpflichtigen als Schuldnerin der gesamten Steuer nicht begründet hatte. Denn die Parteien hatten abweichend von § 448 Abs. 2 BGB, der die Grunderwerbsteuer erfasst, vereinbart, die Grunderwerbsteuer jeweils hälftig zu tragen. Die Inanspruchnahme der Käuferin in Höhe der gesamten Steuer bedarf in einem solchen Fall einer Begründung, aus der die für das FA maßgeblichen Ermessenserwägungen hervorgehen. Das FA hätte spätestens in der Einspruchsentscheidung darlegen müssen, dass es sein Auswahlermessen tatsächlich ausgeübt hat und die Auswahl der Steuerpflichtigen als Schuldnerin der gesamten Steuer begründen müssen, was jedoch nicht erfolgt war.
2. Einbeziehung von Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand.
Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen ist gegeben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten würde. Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt.
Faktische Zwänge, die zu einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Grundstückskäufers in Bezug auf die Annahme der auf die Errichtung des Gebäudes bezogenen Verträge führen, können sich auch daraus ergeben, dass der Grundstückserwerber bei der Errichtung des Gebäudes darauf angewiesen ist, mit anderen Bauwilligen zusammenzuwirken.
Auf der Veräußererseite können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, sodass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von (nicht notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken.
Voraussetzung ist allerdings, dass die auf der Veräußererseite tätigen Personen zur Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks verpflichtet sind. Fehlt eine Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite, kommt es nicht darauf an, ob die Verträge in einem objektiv engen sachlichen Zusammenhang stehen und der Erwerber bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich der konkreten Bebauung des Grundstücks rechtlich oder auch nur wirtschaftlich gebunden war.
Dagegen sind Bauerrichtungskosten beim Erwerb eines noch zu bebauenden Grundstücks nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, wenn das Grundstück von einer zur Veräußererseite gehörenden Person mit bestimmendem Einfluss auf das "Ob" und "Wie" der Bebauung erworben wird. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist in diesem Fall das unbebaute Grundstück. Im Streitfall war das FG rechtsfehlerhaft von einem engen sachlichen Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag ausgegangen, so dass der der BFH der Klage stattgab.
Verlag Dr. Otto Schmidt
GrEStG 1983 § 8 Abs 1, GrEStG 1983 § 9 Abs 1 Nr. 1, GrEStG 1983 § 1 Abs 1 Nr. 1
AO § 121, AO § 5
FGO § 118 Abs 3 S 2
1. Erforderliche Ermessenserwägungen bei Inanspruchnahme nur eines Vertragsbeteiligen
Schuldner der Grunderwerbsteuer sind gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen als Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 Satz1 AO. Jeder der Gesamtschuldner schuldet die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Entscheidung, gegen welchen der Gesamtschuldner die Grunderwerbsteuer festgesetzt wird, hat das FA nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (§ 5 AO). Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen, zunächst denjenigen zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen, der im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat, und den anderen Vertragsteil erst dann, wenn die Steuer von jenem nicht zu erlangen ist.
Die Ermessensentscheidung bedarf nach Maßgabe des § 121 Abs. 1 AO einer Begründung, soweit diese zum Verständnis des Steuerbescheids erforderlich und die Begründung nicht nach § 121 Abs. 2 AO entbehrlich ist. Die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners, der nach den Vereinbarungen der Vertragspartner nicht verpflichtet ist, die Grunderwerbsteuer zu tragen, ist regelmäßig zu begründen. Fehlt die erforderliche Begründung und wird sie auch nicht in zulässiger Form nachgeholt, ist der Steuerbescheid bereits aus diesem Grund rechtswidrig und aufzuheben.
Im Streitfall war der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid rechtswidrig, da das FA sein Auswahlermessen in Bezug auf die Inanspruchnahme der Steuerpflichtigen als Schuldnerin der gesamten Steuer nicht begründet hatte. Denn die Parteien hatten abweichend von § 448 Abs. 2 BGB, der die Grunderwerbsteuer erfasst, vereinbart, die Grunderwerbsteuer jeweils hälftig zu tragen. Die Inanspruchnahme der Käuferin in Höhe der gesamten Steuer bedarf in einem solchen Fall einer Begründung, aus der die für das FA maßgeblichen Ermessenserwägungen hervorgehen. Das FA hätte spätestens in der Einspruchsentscheidung darlegen müssen, dass es sein Auswahlermessen tatsächlich ausgeübt hat und die Auswahl der Steuerpflichtigen als Schuldnerin der gesamten Steuer begründen müssen, was jedoch nicht erfolgt war.
2. Einbeziehung von Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand.
Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen ist gegeben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten würde. Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt.
Faktische Zwänge, die zu einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Grundstückskäufers in Bezug auf die Annahme der auf die Errichtung des Gebäudes bezogenen Verträge führen, können sich auch daraus ergeben, dass der Grundstückserwerber bei der Errichtung des Gebäudes darauf angewiesen ist, mit anderen Bauwilligen zusammenzuwirken.
Auf der Veräußererseite können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, sodass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von (nicht notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken.
Voraussetzung ist allerdings, dass die auf der Veräußererseite tätigen Personen zur Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks verpflichtet sind. Fehlt eine Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite, kommt es nicht darauf an, ob die Verträge in einem objektiv engen sachlichen Zusammenhang stehen und der Erwerber bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich der konkreten Bebauung des Grundstücks rechtlich oder auch nur wirtschaftlich gebunden war.
Dagegen sind Bauerrichtungskosten beim Erwerb eines noch zu bebauenden Grundstücks nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, wenn das Grundstück von einer zur Veräußererseite gehörenden Person mit bestimmendem Einfluss auf das "Ob" und "Wie" der Bebauung erworben wird. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist in diesem Fall das unbebaute Grundstück. Im Streitfall war das FG rechtsfehlerhaft von einem engen sachlichen Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag ausgegangen, so dass der der BFH der Klage stattgab.