02.05.2011

Einkommensteuer für Lohneinkünfte nach Insolvenzeröffnung keine Masseverbindlichkeit

Gelangt pfändbarer Arbeitslohn des Insolvenzschuldners als Neuerwerb zur Insolvenzmasse, liegt allein darin keine Verwaltung der Insolvenzmasse in anderer Weise i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die auf die Lohneinkünfte zu zahlende Einkommensteuer ist demnach keine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit.

BFH 24.2.2011, VI R 21/10
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einkommensteuerschuld für Einkünfte der Insolvenzschuldnerin aus nichtselbständiger Arbeit in einem Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 InsO ist. Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und über das Vermögen des Ehegatten wurde jeweils im April 2005 das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet. Treuhänder in beiden Verfahren ist der Kläger.

Die Insolvenzschuldnerin wurde in den Jahren 2005 und 2006 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer erklärungsgemäß veranlagt. Das Finanzamt erteilte dem Kläger als Treuhänder für die Zeiträume bis zur Insolvenzeröffnung eine Steuerberechnung für das Jahr 2005. Für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung des Jahres 2005 sowie für das Jahr 2006 erließ das Finanzamt jeweils Einkommensteuerbescheide an den Kläger. Auf die Insolvenzschuldnerin entfielen dabei nach beantragter Aufteilung der Steuerschuld Nachzahlungsbeträge für 2005 und 2006. Beide Einkommensteuerbescheide enthielten den Hinweis, dass die Steuerfestsetzung die Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit betreffe.

Das FG gab der gegen die Einordnung der Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Einkommensteuerschuld der Insolvenzschuldnerin keine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 InsO ist.

Die Verwaltung der Masse durch den Kläger führte vorliegend nicht zu der streitigen Einkommensteuernachzahlung. Entgegen der Auffassung des Finanzamts liegt eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters nicht allein deshalb vor, weil das Arbeitseinkommen der Insolvenzschuldnerin als Neuerwerb (teilweise) zur Masse gelangt ist und diese damit vermehrt wurde. Zwar ist eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters ausgeschlossen, wenn tatsächlich keine Erträge zur Masse gezogen worden sind. Der Umkehrschluss ist jedoch nicht ohne weiteres möglich.

Bei den Ansprüchen des Insolvenzschuldners auf Arbeitslohn wird der Fiskus als Gläubiger der Lohnsteuer gegenüber anderen Neugläubigern privilegiert. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO verweist auf die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850i ZPO. Die entsprechende Anwendung dieser Normen hat zur Folge, dass nur der allgemein pfändbare Teil des Arbeitslohnes zur Masse gelangt. Die Lohnsteuer, die vom Arbeitgeber direkt an das Finanzamt zu entrichten ist, wird vom Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners abgezogen, um den allgemein pfändbaren Betrag zu ermitteln. Zu den steuerrechtlichen gesetzlichen Verpflichtungen i.S.d. § 850e ZPO gehört jedoch nur die laufende Lohnsteuer, nicht aber eine auf das Gesamteinkommen zu leistende Abschlusszahlung. Für diese Steuerschulden gelten die allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsätze über Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners im Zusammenhang mit einer neuen Erwerbstätigkeit.

Aus der Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse folgt danach nicht, dass die mit dieser Forderung zusammenhängenden Verbindlichkeiten stets Masseverbindlichkeiten sind. Einer derart weiten Auslegung des § 55 InsO steht u.a. entgegen, dass nach § 35 InsO der Neuerwerb zur Masse gezogen werden sollte, aber den Neugläubigern nur das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners verbleiben sollte. Wenn die mit einem Neuerwerb zusammenhängenden Verbindlichkeiten ohne Zutun des Insolvenzverwalters zu Masseverbindlichkeiten werden könnten, hätte es der Schuldner in der Hand, die Masse durch Eingehen von Verbindlichkeiten zu schmälern. Dies soll jedoch nicht gegen den Willen des Insolvenzverwalters möglich sein.

Für die Einkommensteuer, die auf einen Neuerwerb anfällt, ist keine abweichende Betrachtung geboten. Diese Einkommensteuer führt ebenso wie die Aufwendung von Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu einer mit einem Neuerwerb in Verbindung stehenden Verbindlichkeit und ist somit grundsätzlich aus dem insolvenzfreien Vermögen des Insolvenzschuldners zu begleichen. Etwas anderes gilt auch nicht, wenn - wie vorliegend - die vom Arbeitgeber abgeführte Lohnsteuer nicht ausreicht, um die endgültige Jahreseinkommensteuer abzudecken. Dabei ist unerheblich, dass der Arbeitnehmer durch die Wahl der Steuerklasse die Höhe der Lohnsteuer beeinflussen kann.

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