17.06.2013

Einkommensteuer: Zum Zufluss bei Schneeballsystemen

Verzichtet ein Anleger bei Vorliegen eines Schneeballsystems auf ein massives Vorgehen gegen den noch zahlungsfähigen Anlageberater und stimmt einer Wiederanlage der Zinsen mit neuer Verzinsung zu, dann stimmt er einer Umwandlung der Zinsschuld in eine neue Darlehensschuld zu und verfügt damit über die Zinsen. Diese fließen ihm in diesem Zeitpunkt steuerlich zu.

FG Köln 13.3.2013, 10 K 2820/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin reichte die Einkommensteuererklärung für die Kalenderjahre 2000 und 2001 beim Finanzamt ein. In beiden Steuererklärungen war angekreuzt, dass die Einnahmen aus Kapitalvermögen nicht mehr als 3.100 DM betragen. Die Steuererklärungen wurden unter Mitwirkung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe gefertigt. Die Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 wurden bestandskräftig.

Die Klägerin hatte bei einem Herrn A Kapitalanlagen getätigt. Herr L zahlte 2001 an die Klägerin 30.000 DM und 20.000 DM. Außerdem zahlte er an andere Anleger bis 2002 ca. 2 Mio. DM aus. Im Jahr 2007 begann wegen ihrer Geschäftsbeziehung zu Herrn A eine Steuerfahndungsprüfung gegenüber der Klägerin. Das Finanzamt erließ daraufhin geänderte Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001, in denen es die Einnahmen aus Kapitalvermögen entsprechend den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle berücksichtigte.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht in den Änderungsbescheiden Einnahmen der Klägerin aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG angesetzt. Die streitigen Zinsen sind der Klägerin i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 1 EStG zugeflossen.

Nach BFH-Rechtsprechung führen auch Gutschriften über wiederangelegte Renditen in Schneeballsystemen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 EStG, solange der Schuldner der Erträge leistungsbereit und leistungsfähig ist. Danach sind Einnahmen (§ 8 Abs. 1 EStG) i.S.v. § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Der Gläubiger muss in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen. Ein Zufluss kann durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll.

Von einem Zufluss des aufgrund der Altforderung geschuldeten Betrags i.S.v. § 11 Abs. 1 EStG kann in derartigen Fällen der Schuldumwandlung (Novation) laut BFH allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Steuerpflichtigen) über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht. Bzgl. der Frage der Leistungsfähigkeit ist nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH entscheidend, ob der Steuerpflichtige in seinem konkreten Fall eine Auszahlung hätte erreichen können. Auf eine hypothetische Zahlung an alle Anleger könne nicht abgestellt werden. Daran ändere auch eine Diskrepanz zwischen den tatsächlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und den tatsächlich bestehenden Forderungen nichts.

Daraus ließe sich für die Frage des Zuflusses von Erträgen jedenfalls so lange nichts herleiten, wie das Schneeballsystem als solches funktioniere, d.h. die Auszahlungsverlangen der Anleger ohne Einschränkung bedient werden. Dass Schneeballsysteme zusammenbrechen, wenn alle Anleger gleichzeitig die Rückzahlung ihrer Gelder verlangen, sage über den Abfluss bzw. Zufluss beim einzelnen Anleger nichts aus. Aus alldem ergibt sich für den Streitfall, dass die Zinsen der Klägerin durch Novation zugeflossen sind. Die Nichtauszahlung der Zinsen, sondern deren Wiederanlage lag auch im Interesse der Klägerin. Dies ergibt sich aus den hohen Zinsen, die ihr hierfür versprochen wurden. Dass die Nichtauszahlung auch im Interesse des Gläubigers liegt, reicht aus. Die Nichtauszahlung muss nicht im ganz überwiegenden Interesse des Gläubigers liegen.

Die Klägerin ist gegen die Nichtauszahlung nicht massiv vorgegangen, sondern hat der Wiederanlage zugestimmt. Der Anlageberater hat ihr einen erheblichen Teil zurückgezahlt. Deshalb hätte die Klägerin bei massiverem Vorgehen wohl auch den übrigen Betrag einschließlich der Zinsen von dem Anlageberater ausgezahlt erhalten. Dieser war zu diesem Zeitpunkt noch zahlungsfähig. Verzichtet die Klägerin auf ein solches massives Vorgehen und stimmt vielmehr einer Wiederanlage der Zinsen mit neuer Verzinsung zu, dann hat sie einer Umwandlung der Zinsschuld in eine neue Darlehensschuld zugestimmt und damit über die Zinsen verfügt. Diese sind ihr in diesem Zeitpunkt steuerlich zugeflossen.

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