Entgeltlicher Verzicht auf Nießbrauch bei einem vermieteten Grundstück
Kurzbesprechung
BFH v. 10.10.2025 - IX R 4/24
EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 100, § 1030 Abs. 1
Streitig war, ob die Entschädigung für den Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht an einem vermieteten Grundstück einkommensteuerbar ist. Das FA hatte die Entschädigung der Besteuerung nach § 23 EStG unterworfen, das FG hatte der Klage stattgegeben. Im Revisionsverfahren hat der BFH nun entschieden, dass die Entschädigung zu einer steuerbaren und steuerpflichtigen Entschädigung für entgehende Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG führt.
Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Die Vorschrift des § 24 EStG hat keine die Einkünfte erweiternde, sondern lediglich eine die Reichweite der einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeutung. Diese Klarstellung hat eine doppelte Wirkung.
Einmal ist ihr positiv zu entnehmen, zu welcher Einkunftsart eine Entschädigung gehört. Zum anderen hat die Vorschrift auch eine negative Rechtsfolge. Sie stellt in § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG klar, dass alle diejenigen Entschädigungen aus dem Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 EStG ausgenommen sind, die für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden, die ihrerseits nicht unter die Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG fallen. Die Entschädigung soll also nicht unter weitergehenden Voraussetzungen den Einkünften zugerechnet werden als die entgehende oder entgangene Einnahme, an deren Stelle sie tritt. Es muss demzufolge eine kausale Verknüpfung zwischen der Entschädigung und den entgehenden oder entgangenen Einnahmen bestehen.
Nachträgliche Einkünfte in diesem Sinne setzen somit zunächst voraus, dass dem Steuerpflichtigen die Einkünfte, für die Entschädigung gewährt wird, steuerlich zuzurechnen sind In sachlicher Hinsicht muss die Entschädigung für den Wegfall (steuerbarer) Einnahmen gewährt werden.
Der Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist daher nicht erfüllt, wenn die Entschädigung für den Vermögensverlust an einem Wirtschaftsgut geleistet wird. Wird das Entgelt für die Aufgabe eines Wirtschaftsguts gezahlt und nicht dafür, dass dem Steuerpflichtigen aufgrund der Aufgabe Einnahmen entgehen, sind nicht die Einkünfte aus diesem Wirtschaftsgut, sondern das Wirtschaftsgut selbst betroffen.
Das Nießbrauchsrecht an einer vermieteten Immobilie, durch das dem Nießbraucher die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG zuzurechnen sind, wenn er im Außenverhältnis selbst als Vermieter in Erscheinung tritt und die an dem Vermietungsgegenstand zustande gekommenen Mietverträge im eigenen Namen abschließt, ist ein Wirtschaftsgut. Verzichtet ein Nießbraucher auf dieses - im Privatvermögen befindliche - Recht und erhält er hierfür eine Gegenleistung, soll nach einer Entscheidung des X. Senats des BFH aus dem Jahr 1992 diese Gegenleistung keine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sein (BFH v. 25.11.1992 - X R 34/89, BStBl II 1996, 663, unter 1.b, und unter Bezugnahme auf BFH v. 9.8.1990 - X R 140/88, BStBl II 1990, 1026, unter 1.b, dort entgeltlicher Verzicht auf ein Wohnrecht). Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, die die Ablösung eines Vorbehalts- oder Vermächtnisnießbrauchs gegen Einmalzahlung als nicht steuerbare Vermögensumschichtung ansieht (BMF-Schreiben v. 30.9.2013, BStBl I 2013, 1184, Rz 58, 60, 65).
Die Senatsentscheidungen vom 20.9.2024 - IX R 5/24 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) und vom 11.2.2025 - IX R 14/24 sind dagegen von der Erwägung getragen, dass das Entgelt für die Ablösung eines Nießbrauchsrechts an einem Kapitalgesellschaftsanteil jedenfalls dann als nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbare Entschädigung zu behandeln sein kann, wenn der Nießbraucher wirtschaftlicher Eigentümer des nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils war und ihm daher insoweit die Dividenden der Gesellschaft als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 3 EStG steuerlich zuzurechnen waren.
Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist der IX. Senat abweichend zur vorgenannten Rechtsprechung des X. Senats und der hieran anknüpfenden Auffassung der Finanzverwaltung der Ansicht, dass das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung des Nießbrauchsrechts jedenfalls dann eine steuerbare Entschädigung gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt, wenn der Nießbraucher das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermietet und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat. Denn die Entschädigung wurde der Klägerin nicht für die Aufgabe des Nießbrauchsrechts als Wirtschaftsgut, sondern für die künftig entgehenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gezahlt.
Einer Steuerbarkeit der Zahlung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steht auch nicht entgegen, sollte die Steuerpflichtige auf das Nießbrauchsrecht freiwillig verzichtet haben. Gegen das Erfordernis der Feststellung einer Druck- oder Zwangssituation des Steuerpflichtigen spricht bereits der Wortlaut des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, der ein solches Tatbestandsmerkmal nicht erwähnt. Auch aus systematischer Hinsicht ist eine Druck- oder Zwangssituation nicht erforderlich. Denn Anknüpfungspunkt hierfür ist nicht die der Steuerbarkeit der Entschädigung, sondern allein die Beurteilung, ob deren Zufluss zu einer tarifermäßigten Besteuerung gem. § 34 EStG führen kann.
Die Steuerbarkeit nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) hat zur Folge, dass es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Entschädigung als privates Veräußerungsgeschäft gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren ist, nicht mehr ankommt. Denn Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind nach § 23 Abs. 2 EStG gegenüber anderen Einkunftsarten subsidiär.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, § 34 Abs. 2 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 100, § 1030 Abs. 1
Streitig war, ob die Entschädigung für den Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht an einem vermieteten Grundstück einkommensteuerbar ist. Das FA hatte die Entschädigung der Besteuerung nach § 23 EStG unterworfen, das FG hatte der Klage stattgegeben. Im Revisionsverfahren hat der BFH nun entschieden, dass die Entschädigung zu einer steuerbaren und steuerpflichtigen Entschädigung für entgehende Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG führt.
Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Die Vorschrift des § 24 EStG hat keine die Einkünfte erweiternde, sondern lediglich eine die Reichweite der einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeutung. Diese Klarstellung hat eine doppelte Wirkung.
Einmal ist ihr positiv zu entnehmen, zu welcher Einkunftsart eine Entschädigung gehört. Zum anderen hat die Vorschrift auch eine negative Rechtsfolge. Sie stellt in § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG klar, dass alle diejenigen Entschädigungen aus dem Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 EStG ausgenommen sind, die für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden, die ihrerseits nicht unter die Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG fallen. Die Entschädigung soll also nicht unter weitergehenden Voraussetzungen den Einkünften zugerechnet werden als die entgehende oder entgangene Einnahme, an deren Stelle sie tritt. Es muss demzufolge eine kausale Verknüpfung zwischen der Entschädigung und den entgehenden oder entgangenen Einnahmen bestehen.
Nachträgliche Einkünfte in diesem Sinne setzen somit zunächst voraus, dass dem Steuerpflichtigen die Einkünfte, für die Entschädigung gewährt wird, steuerlich zuzurechnen sind In sachlicher Hinsicht muss die Entschädigung für den Wegfall (steuerbarer) Einnahmen gewährt werden.
Der Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist daher nicht erfüllt, wenn die Entschädigung für den Vermögensverlust an einem Wirtschaftsgut geleistet wird. Wird das Entgelt für die Aufgabe eines Wirtschaftsguts gezahlt und nicht dafür, dass dem Steuerpflichtigen aufgrund der Aufgabe Einnahmen entgehen, sind nicht die Einkünfte aus diesem Wirtschaftsgut, sondern das Wirtschaftsgut selbst betroffen.
Das Nießbrauchsrecht an einer vermieteten Immobilie, durch das dem Nießbraucher die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG zuzurechnen sind, wenn er im Außenverhältnis selbst als Vermieter in Erscheinung tritt und die an dem Vermietungsgegenstand zustande gekommenen Mietverträge im eigenen Namen abschließt, ist ein Wirtschaftsgut. Verzichtet ein Nießbraucher auf dieses - im Privatvermögen befindliche - Recht und erhält er hierfür eine Gegenleistung, soll nach einer Entscheidung des X. Senats des BFH aus dem Jahr 1992 diese Gegenleistung keine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sein (BFH v. 25.11.1992 - X R 34/89, BStBl II 1996, 663, unter 1.b, und unter Bezugnahme auf BFH v. 9.8.1990 - X R 140/88, BStBl II 1990, 1026, unter 1.b, dort entgeltlicher Verzicht auf ein Wohnrecht). Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, die die Ablösung eines Vorbehalts- oder Vermächtnisnießbrauchs gegen Einmalzahlung als nicht steuerbare Vermögensumschichtung ansieht (BMF-Schreiben v. 30.9.2013, BStBl I 2013, 1184, Rz 58, 60, 65).
Die Senatsentscheidungen vom 20.9.2024 - IX R 5/24 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) und vom 11.2.2025 - IX R 14/24 sind dagegen von der Erwägung getragen, dass das Entgelt für die Ablösung eines Nießbrauchsrechts an einem Kapitalgesellschaftsanteil jedenfalls dann als nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbare Entschädigung zu behandeln sein kann, wenn der Nießbraucher wirtschaftlicher Eigentümer des nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils war und ihm daher insoweit die Dividenden der Gesellschaft als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 3 EStG steuerlich zuzurechnen waren.
Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist der IX. Senat abweichend zur vorgenannten Rechtsprechung des X. Senats und der hieran anknüpfenden Auffassung der Finanzverwaltung der Ansicht, dass das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung des Nießbrauchsrechts jedenfalls dann eine steuerbare Entschädigung gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt, wenn der Nießbraucher das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermietet und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat. Denn die Entschädigung wurde der Klägerin nicht für die Aufgabe des Nießbrauchsrechts als Wirtschaftsgut, sondern für die künftig entgehenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gezahlt.
Einer Steuerbarkeit der Zahlung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steht auch nicht entgegen, sollte die Steuerpflichtige auf das Nießbrauchsrecht freiwillig verzichtet haben. Gegen das Erfordernis der Feststellung einer Druck- oder Zwangssituation des Steuerpflichtigen spricht bereits der Wortlaut des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, der ein solches Tatbestandsmerkmal nicht erwähnt. Auch aus systematischer Hinsicht ist eine Druck- oder Zwangssituation nicht erforderlich. Denn Anknüpfungspunkt hierfür ist nicht die der Steuerbarkeit der Entschädigung, sondern allein die Beurteilung, ob deren Zufluss zu einer tarifermäßigten Besteuerung gem. § 34 EStG führen kann.
Die Steuerbarkeit nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) hat zur Folge, dass es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Entschädigung als privates Veräußerungsgeschäft gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren ist, nicht mehr ankommt. Denn Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind nach § 23 Abs. 2 EStG gegenüber anderen Einkunftsarten subsidiär.