09.09.2021

Entlastung von Kapitalertragsteuer trotz Zwischenschaltung einer GbR

Eine unmittelbare Beteiligung i.S. des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG liegt auch dann vor, wenn diese Beteiligung unter Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten GbR gehalten wird. Maßgebend ist die steuerrechtliche Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.

Kurzbesprechung
BFH v. 18.5.2021 - I R 77/17

EStG § 17, § 20 Abs 1 Nr. 1, § 43b, § 50d Abs 1, § 50d Abs 3,
AO § 39 Abs 2 Nr. 2
KStG § 8b Abs 4
EURL 96/2011 Art 3 Abs 1, 96/2011 Art 5, EURL 13/2013
DBA NLD Art 13
EWGRL 435/90
GewStG § 9 Nr. 1 S 2


Streitig war, ob Dividenden auch dann gemäß § 43b EStG von Kapitalertragsteuer zu entlasten sind, wenn die Beteiligung an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft über eine rein vermögensverwaltende GbR gehalten wird.

Die Steuerpflichtige ist eine nach dem Recht der Niederlande gegründete Genossenschaft mit Sitz in Z (Niederlande). Sie ist seit ...2013 zu mindestens 10 % an einer vermögensverwaltenden GbR beteiligt, der X-GbR. Weiterer Gesellschafter der X-GbR ist eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, an der fast ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind. Die X-GbR hält ihrerseits 100 % der Anteile an der inländischen Y-AG. Die Zwischenschaltung der X-GbR war aus regulatorischen Gründen erforderlich.

Nach § 43b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 EStG wird für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auf Antrag keine Kapitalertragsteuer erhoben, wenn diese Kapitalerträge einer Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Tochtergesellschaft zufließen. Die Muttergesellschaft muss in Anlage 2 zum EStG aufgeführt und nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a MTR 2011 zum Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG) nachweislich zu mindestens 10 % unmittelbar am Kapital der Tochtergesellschaft beteiligt sein (§ 43b Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Tochtergesellschaft muss ebenfalls in Anlage 2 zum EStG aufgeführt sein sowie die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b MTR 2011 bezeichneten Voraussetzungen erfüllen (§ 43b Abs. 2 Satz 3 EStG). Darüber hinaus muss die Beteiligung nachweislich ununterbrochen 12 Monate bestehen; hierfür reicht es aus, wenn der erforderliche Beteiligungszeitraum erst nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer vollendet wird (§ 43b Abs. 2 Satz 4 und 5 EStG).

Diese Voraussetzungen waren im Streitfall grundsätzlich erfüllt sind. Auch hatte das FG zu Recht entschieden, dass die Steuerpflichtige an der Y-AG "unmittelbar" i.S. des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG beteiligt war. Die Zwischenschaltung der X-GbR war hierfür unschädlich. Wird die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft über eine vermögensverwaltende, nicht gewerblich geprägte GbR gehalten, ist sie wegen § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO als "unmittelbar" i.S. des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG anzusehen.

Auch widerspricht die Einbeziehung von Beteiligungen, die über eine vermögensverwaltende, nicht gewerblich geprägte GbR gehalten werden, nicht dem Wortlaut des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG. Vielmehr kann das Erfordernis einer unmittelbaren Beteiligung sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich zu verstehen sein.

Bei steuerrechtlicher Betrachtung wäre die Voraussetzung einer unmittelbaren Beteiligung erfüllt. Dies folgt aus der Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach dieser Vorschrift sind Wirtschaftsgüter, die mehreren Personen zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zuzurechnen, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Die Notwendigkeit einer solchen Zurechnung muss sich aus den Einzelsteuergesetzen ergeben. Sie liegt grundsätzlich vor, wenn der von der Gesellschaft verwirklichte Tatbestand steuerrechtlich nicht von Bedeutung und deshalb beim Gesellschafter selbst zu berücksichtigen ist. Die Besteuerung darf also nicht die Gesamthand, sondern muss die Gesamthänder erfassen.

Diese Voraussetzungen sind für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer bei rein vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaften erfüllt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Gesamthand den Besteuerungstatbestand verwirklicht, aber selbst nicht Schuldnerin der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist.

Aufgrund der durch § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO angeordneten Bruchteilsbetrachtung ist ein im Gesamthandsvermögen einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten GbR gehaltenes Wirtschaftsgut --im Streitfall die Beteiligung an der Y-AG-- anteilig als eigenes Wirtschaftsgut der Gesellschafter --im Streitfall der Steuerpflichtigen-- anzusehen. Daraus folgt, dass bei steuerrechtlicher Betrachtung trotz Zwischenschaltung der X-GbR eine unmittelbare Beteiligung der Steuerpflichtigen an der Y-AG vorliegt.

Für das Erfordernis der unmittelbaren Beteiligung i.S. des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG hatte das FG zutreffend die steuerrechtliche und nicht die rein zivilrechtliche Betrachtung für maßgeblich erachtet. Darüber hinaus wird die Unschädlichkeit der Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden GbR auch durch die neuere Rechtsprechung des BFH zur erweiterten Gewerbesteuerkürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bestätigt. Der BFH hat hierzu entschieden, dass die Voraussetzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, ausschließlich "eigenen" Grundbesitz zu verwalten und zu nutzen, auch dann erfüllt ist, wenn diese Tätigkeit über eine rein vermögensverwaltende, nicht gewerblich geprägte Personengesellschaft ausgeübt wird. Dies folgt aus der anteiligen Zurechnung des Grundbesitzes im Wege der Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Entsprechendes muss dann aber auch für das Erfordernis einer "unmittelbar" gehaltenen Beteiligung i.S. des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG gelten.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück