29.07.2021

Erbschaft- und Schenkungsteuer: Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte

1. Eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft faktisch beherrscht. Dazu ist eine Einwirkung des Erblassers oder Schenkers mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts auf die zur Beherrschung führenden Stimmrechte notwendig. Ein Einfluss nur auf die kaufmännische oder technische Betriebsführung ohne Möglichkeit der Erlangung einer Stimmenmehrheit reicht nicht aus.
2. Wird ein Grundstück an eine Kapitalgesellschaft verpachtet, ist auch dann von einer steuerschädlichen Nutzungsüberlassung an Dritte auszugehen, wenn Erwerber des Betriebsvermögens der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist.
3. Zwei Betriebe bilden keinen Gleichordnungskonzern, wenn sie durch mehrere Personen beherrscht werden.

Kurzbesprechung
BFH v. 23.2.2021 - II R 26/19

ErbStG § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 1, § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst a Alt. 1, § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. c, § 13b Abs. 1 Nr. 2
EStG § 4h Abs. 3 S. 6
FGO § 76 Abs. 1 S. 1
KStG § 8 Abs. 1, § 8a
GG Art. 3 Abs. 1


Nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG a.F. gehört zum begünstigten Vermögen vorbehaltlich § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 BewG) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs. Gemäß § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. bleibt ausgenommen Vermögen i.S. des § 13b Abs. 1 ErbStG a.F., wenn das Betriebsvermögen der Betriebe oder der Gesellschaften zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht.

Die Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens sind in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 ErbStG a.F. abschließend aufgezählt. Maßgebend für die Einordnung von Wirtschaftsgütern als Verwaltungsvermögen sind die Verhältnisse am Stichtag der Entstehung der Steuer (§ 9 Abs. 1 ErbStG).

Zum Verwaltungsvermögen gehören Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F.). "Dritter" i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F. ist jede Person, die nicht mit dem Nutzungsüberlassenden identisch ist. Dritte können natürliche Personen --auch Angehörige--, Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften sein.

Eine Nutzungsüberlassung eines Grundstücks an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 1 ErbStG a.F.).

Zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 1 ErbStG a.F. genügt es hinsichtlich der personellen Verflechtung nicht, dass der oder die Erwerber die Person oder die Personengruppe ist, die die Betriebsgesellschaft tatsächlich beherrscht und zudem in der Lage ist, auch in dem Besitzunternehmen hinsichtlich des bezüglich der wesentlichen Betriebsgrundlage bestehenden Miet- oder Pachtverhältnisses ihren Willen faktisch durchzusetzen. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 1 ErbStG a.F. erfordert vielmehr, dass der Erblasser oder Schenker --nicht der Erwerber-- sowohl im Besitzunternehmen als auch im Betriebsunternehmen allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen entfalten kann.

Eine Nutzungsüberlassung an Dritte ist außerdem nicht anzunehmen, wenn die Nutzungsüberlassung im Rahmen der Verpachtung eines ganzen Betriebs erfolgt, welche beim Verpächter zu Einkünften nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG führt und der Verpächter des Betriebs im Zusammenhang mit einer unbefristeten Verpachtung den Pächter durch eine letztwillige Verfügung oder eine rechtsgeschäftliche Verfügung als Erben eingesetzt hat (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG a.F.).

Begünstigter Erwerber ist nur der Pächter. Bei einer Kapitalgesellschaft ist das Trennungsprinzip zu beachten. Ist Pächter des Grundstücks die Kapitalgesellschaft, begünstigter Erwerber hingegen der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft, sind die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG a.F. nicht erfüllt.

Schließlich ist eine Nutzungsüberlassung an Dritte nicht anzunehmen, wenn sowohl der überlassende Betrieb als auch der nutzende Betrieb zu einem Konzern i.S. des § 4h Abs. 3 Sätze 5 und 6 EStG gehören, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c ErbStG a.F.).

Im Streitfall hatte das FG zu Recht entschieden, dass keiner der Ausnahmetatbestände nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 1, Buchst. b Doppelbuchst. aa oder Buchst. c ErbStG a.F. einschlägig ist.

Die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 1 ErbStG sind nicht erfüllt. Der Erblasser konnte zwar im A-Betrieb als dessen Alleininhaber, nicht aber in der J-GmbH gesellschaftsrechtlich einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen entfalten. Er war nicht Gesellschafter der J-GmbH und besaß daher in der Gesellschafterversammlung keine Stimmrechte.

Auch eine faktische Beherrschung der J-GmbH durch den Erblasser war nicht gegeben. Der Erblasser hatte zwar unstreitig die erforderliche Fachkunde, in der J-GmbH führend tätig zu sein. Für die Führung der Geschäfte war ihm von dem Steuerpflichtigen auch Prokura erteilt worden. Der Erblasser hatte jedoch keine Möglichkeit, eine Stimmenmehrheit in der J-GmbH zu erlangen. Alleiniger Gesellschafter der J-GmbH war der Steuerpflichtige. Dass der Erblasser ihm eine Generalvollmacht erteilt hatte, nach der er allein und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit die Geschäfte im A-Betrieb leiten, Einfluss auf die Verpachtung des Betriebsgrundstücks nehmen und daher faktisch den A-Betrieb als Besitzunternehmen beherrschen konnte, reicht für die Anwendbarkeit des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 1 ErbStG a.F. nicht aus. Denn diese Vorschrift erfordert, dass der Erblasser --neben dem A-Betrieb-- auch die J-GmbH als Betriebsunternehmen faktisch beherrschen konnte. Andere Anhaltspunkte für eine faktische Beherrschung der J-GmbH durch den Erblasser hat bestanden nicht.

Die Tatbestandsmerkmale des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG a.F. lagen nicht vor. Denn es erfolgte die Nutzungsüberlassung des Betriebsgrundstücks an die J-GmbH. Erwerber des Betriebs von Todes wegen war jedoch der Steuerpflichtige als Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer. Schließlich waren auch die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c ErbStG a.F. nicht gegeben. Ein Gleichordnungskonzern i.S. des § 4h Abs. 3 Satz 6 EStG lag im Streitfall nicht vor.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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