11.12.2013

Erbschaftsteuer: Vorläufiger Rechtsschutz wegen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ab 2009 geltenden ErbStG

Im Hinblick auf das ab 2009 geltende ErbStG ist die Vollziehung eines Erbschaftsteuerbescheids wegen des beim BVerfG anhängigen Normenkontrollverfahrens 1 BvL 21/12 auf Antrag des Steuerpflichtigen auszusetzen oder aufzuheben, wenn ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht. Ein solches liegt jedenfalls vor, wenn der Steuerpflichtige mangels Erwerbs liquider Mittel zur Entrichtung der festgesetzten Erbschaftsteuer eigenes Vermögen einsetzen oder die erworbenen Vermögensgegenstände veräußern oder belasten muss.

BFH 21.11.2013, II B 46/13
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des im September 2011 verstorbenen Erblassers. Aufgrund eines Vermächtnisses des Erblassers erhält sie auf Lebenszeit eine monatliche Rente von 2.700 €. Die hierfür anfallende Erbschaftsteuer i.H.v. 71.000 € entrichtete die Antragstellerin Ende 2012.

Die Antragstellerin machte im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 27.9.2012 (Az.: II R 9/11) und das damit beim BVerfG anhängige Verfahren (1 BvL 21/12) die Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 - ErbStG - geltend. Das Einspruchsverfahren ruht bis zu einer Entscheidung des BVerfG.

Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das Finanzamt ab. Die beim FG beantragte Aufhebung der Vollziehung wurde ebenfalls abgelehnt. Das FG führte zur Begründung aus, das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege nicht die öffentlichen Interessen am ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug und an einer geordneten Haushaltsführung. Die festgesetzte Erbschaftsteuer belaufe sich nur auf knapp 25 % des Erwerbs. Die Antragstellerin könne etwaige finanzielle Härten durch die Wahl der Jahresversteuerung gem. § 23 ErbStG abmildern.

Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hob der BFH die Vorentscheidung und die Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids mit Wirkung ab Fälligkeit auf bis das BVerfG in dem Verfahren 1 BvL 21/12 entschieden hat.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des FG kam dem Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG zu.

Maßgebend hierfür war, dass der BFH die als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat. Hinzu kam, dass in Fällen, in denen ein Erwerber die Erbschaftsteuer nicht bzw. nicht ohne weitere, ggf. auch verlustbringende Dispositionen aus dem Erwerb begleichen kann, ihm wegen des anhängigen Normenkontrollverfahrens nicht zuzumuten ist, die Erbschaftsteuer vorläufig zu entrichten. Gehören dagegen zu dem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb auch verfügbare Zahlungsmittel, die zur Entrichtung der Erbschaftsteuer eingesetzt werden können, fehlt regelmäßig ein vorrangiges Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Insofern konnte der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegen gehalten werden, dass die Antragstellerin das Wahlrecht nach § 23 ErbStG hätte ausüben können. Danach können Steuern, die von dem Kapitalwert von Renten zu entrichten sind, nach Wahl des Erwerbers statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus von dem Jahreswert entrichtet werden. Das Wahlrecht ist jedoch mit dem Nachteil verbunden, dass die Erbschaftsteuer in diesem Fall nach der wirklichen und nicht nach der auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhenden Lebensdauer erhoben wird; lebt der Berechtigte länger als es der Wahrscheinlichkeitsrechnung entspricht, so ist die Gesamtbelastung höher.

Letztlich ist vorläufiger Rechtsschutz unabhängig davon zu gewähren, welche Entscheidung vom BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten Norm zu erwarten ist. Denn ist ein qualifiziertes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorhanden, muss es im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch effektiv durchsetzbar sein und darf nicht leerlaufen, weil das BVerfG in einem Normenkontrollverfahren möglicherweise eine Weitergeltung verfassungswidriger Normen für einen bestimmten Zeitraum anordnet. Der Senat hält somit auch nicht mehr an seiner Rechtsprechung fest, nach der eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids ausscheidet, wenn zu erwarten ist, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird.

Linkhinweis:

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BFH PM Nr. 91 vom 11.12.2013
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