11.12.2013

Erfolgreiche Entschädigungsklage wegen überlanger Dauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens

Der BFH musste erneut über einen Entschädigungsanspruch entscheiden, der wegen der überlangen Dauer eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens geltend gemacht worden war. In der aktuellen Entscheidung hat der der in erster und letzter Instanz zuständige X. Senat erstmals allgemeine Leitlinien für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer finanzgerichtlicher Verfahren aufgestellt.

BFH 7.11.2013, X K 13/12
Der Sachverhalt:
Während der Kläger seinen Lebensmittelpunkt durchgängig in Deutschland hatte, verzog seine Ehefrau mit den drei gemeinsamen Kindern im Jahr 2000 nach Nordirland. Dort besuchten die Kinder seitdem die Schule. Der Kläger trug während des Verfahrens vor, er sei an jedem Wochenende nach Nordirland geflogen, um seine Familie zu besuchen. Die Ferien hätten sie zusammen bei ihm in Deutschland verbracht. Einkommensteuerrechtlich wurden der Kläger und seine Ehefrau in Deutschland zusammen veranlagt.

Bis einschließlich Januar 2001 hatte die Ehefrau das Kindergeld bezogen. Im Jahr 2001 beantragte der Kläger bei der Familienkasse Kindergeld für seine drei in Nordirland lebenden Kinder. Die Familienkasse lehnte dies zunächst ab, setzte später aber zugunsten des Klägers dem Grunde nach Kindergeld fest, kürzte dessen Höhe jedoch um die kindergeldähnlichen Leistungen (child benefit), die der Ehefrau nach seiner Auffassung im Vereinigten Königreich zustanden. Der Kläger forderte gerichtlich den vollen Kindergeldbetrag.

Da der Fall in rechtlicher Hinsicht schwierig war, Sachverhaltsermittlungen im Ausland erforderte und das Verfahren außerdem wegen mehrfachen Wechsels des zuständigen Berichterstatters immer wieder über längere Zeiträume unbearbeitet blieb, war es insgesamt acht Jahre und neun Monate beim FG anhängig. Infolgedessen erhob der Kläger im November 2012 Entschädigungsklage. Ausgehend von einer als üblich anzusehenden Verfahrensdauer von drei Jahren begehrte er für einen Zeitraum von 68 Monaten eine Entschädigung für Nichtvermögensnachteile i.H.v. 7.200 € und Ersatz für Überziehungszinsen i.H.v. 14.985 € wegen verzögerter Auszahlung des Kindergelds.

Der BFH hat den Entschädigungsanspruch durch Zwischenurteil dem Grunde nach bejaht. Die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bleibt dem noch ausstehenden Endurteil vorbehalten.

Die Gründe:
Die Dauer des Ausgangsverfahrens war unangemessen. Die Verzögerung belief sich jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf 68 Monate. Da der Fall in rechtlicher Hinsicht schwierig war und Sachverhaltsermittlungen im Ausland erforderte, war dem FG zudem ein überdurchschnittlich langer Zeitraum zur Bearbeitung des Verfahrens einzuräumen.

Grundsätzlich ist beim Anspruch auf eine zügige Erledigung des Rechtsstreits stets abzuwägen mit dem Anspruch auf eine möglichst weitgehende inhaltliche Richtigkeit und eine möglichst hohe Qualität gerichtlicher Entscheidungen, dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter und dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Dem Ausgangsgericht steht ein erheblicher Spielraum für die Gestaltung seines Verfahrens zu. Mit zunehmender Verfahrensdauer verdichtet sich allerdings die Pflicht, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen.

Da die gesetzliche Regelung des § 198 GVG den konkreten Einzelfall in den Vordergrund stellt, können keine festen Fristen bezeichnet werden, in denen ein Verfahren im Regelfall abschließend erledigt sein muss. Angesichts der im Vergleich zu anderen Gerichtsbarkeiten relativ homogenen Fallstruktur in der Finanzgerichtsbarkeit können jedoch für bestimmte Abschnitte des Verfahrens in zeitlicher Hinsicht Angemessenheitsvermutungen aufgestellt werden. Bei finanzgerichtlichen Klageverfahren, die im Vergleich zu dem bei derartigen Verfahren typischen Ablauf keine wesentlichen Besonderheiten aufweisen, spricht eine Vermutung für die Angemessenheit der Verfahrensdauer, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und die damit begonnene "aktive" Phase des gerichtlichen Handelns nicht durch nennenswerte Zeiträume unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet lässt.

Letztlich konnte bei einer Betrachtung all dieser Umstände des Einzelfalls eine Verzögerung um insgesamt 43 Monate angenommen werden. Schließlich war das Verfahren, insbesondere wegen mehrfachen Wechsels des zuständigen Berichterstatters, immer wieder über längere Zeiträume unbearbeitet geblieben war. Ein nachhaltiges Bemühen um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens war nicht zu erkennen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 89 vom 11.12.2013
Zurück