07.08.2025

Erstattung von Kapitalertragsteuer an japanische Mutterkapitalgesellschaften

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss vom 3.6.2025 - VIII R 21/22 verschiedene Fragen, die im Zusammenhang mit dem abgeltenden Einbehalt von Kapitalertragsteuer auf Dividenden an Drittstaatengesellschaften von Belang sind, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Kurzbesprechung
EuGH-Vorlage v. 3.6.2025 - VIII R 21/22

EStG § 20 Abs 1 Nr. 1, EStG § 43 Abs 1, EStG § 43a Abs 1 S 1 Nr. 1, EStG § 43b, EStG § 49 Abs 1 Nr. 5 Buchst a DBuchst aa, EStG § 50d Abs 1 S 2
KStG § 8b Abs 1, KStG § 8b Abs 5, KStG § 31 Abs 1, KStG § 32 Abs 1 Nr 2
AEUV Art 49, AEUV Art 63
EWGRL 435/90 Art 5
DBA JPN Art 10 Abs 1, DBA JPN Art 10 Abs 2, DBA JPN Art 23, DBA JPN Art 25 Abs 1
EGRL 98/2006


Die Steuerpflichtige, eine japanische Kapitalgesellschaft, bezog in den Streitjahren 2009 bis 2011 Dividenden von einer deutschen Kapitalgesellschaft, deren alleinige Anteilseignerin sie war. Nach Art. 10 Abs. 2 DBA Japan 1966 DBA wurde von den Dividenden jeweils 15% Kapitalertragsteuer einbehalten. Dieser Steuerabzug hatte abgeltende Wirkung.

Aufgrund einer Änderung des japanischen Rechts wurde der Steuerpflichtigen ab dem 1.4.2009 eine Steuerbefreiung in Höhe von 95% des Dividendenbetrags gewährt. Die bis dahin nach Art. 23 Abs. 2 DBA mögliche vollständige Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die japanische Körperschaftsteuer ging damit weitgehend ins Leere.

Da es bei der Körperschaftsteuerveranlagung deutscher Mutterkapitalgesellschaften, die Dividenden von deutschen Tochterkapitalgesellschaften beziehen, zur Anrechnung und ggf. Erstattung der Kapitalertragsteuer kommt, sieht sich die Steuerpflichtige durch den abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug in ihrer Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verletzt. Sie beantragte die Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer.

Nach erfolglosem Einspruch wies auch nachfolgend das FG die eingelegte Klage ab.

Nach eingelegter Revision hält der VIII. Senat des BFH mehrere Rechtsfragen für unionsrechtlich zweifelhaft. Er hat daher dem EuGH folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Rechtsfrage 1:

Verdrängt die Niederlassungsfreiheit in Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ‑‑AEUV‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2008, Nr. C 115, 47) für die Überprüfung von § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 des DBA-Japan 1966 die Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV als Prüfungsmaßstab, da
  • einerseits diese Regelungen zwar einen abgeltenden (definitiven) Einbehalt deutscher Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 % auf die Dividenden der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) unabhängig von der Beteiligungshöhe einer japanischen Mutterkapitalgesellschaft anordnen, aber
  • andererseits die von der Steuerpflichtigen geltend gemachte Beschränkung durch den Kapitalertragsteuereinbehalt nur deshalb eintreten kann, weil die Steuerpflichtige zu mindestens 25 % an der ausschüttenden GmbH beteiligt ist und sie die vollständige Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer neben der Inanspruchnahme einer japanischen Steuerbefreiung in Höhe von 95 % der Dividenden beantragt,
  • sodass die Steuerpflichtige für den Zusammenschluss mit der GmbH im Ergebnis eine binnenmarktähnliche Vollentlastung der Dividende wie im Anwendungsbereich des Art. 5 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1990 Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20, 1997, Nr. L 16, 98), geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20.11.2006 (ABlEU 2006 Nr. L 363, 129; Mutter-Tochter-Richtlinie) begehrt?


Rechtsfrage 2:

Falls die Kapitalverkehrsfreiheit als Prüfungsmaßstab nicht verdrängt wird:

Stellt die abgeltende Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die Dividenden gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 unter den Umständen des Streitfalls eine von der Bundesrepublik Deutschland verursachte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit der Steuerpflichtigen dar, wenn

  • einerseits die deutsche Kapitalertragsteuer, welche auf die Dividende erhoben wurde, bei gebietsansässigen Mutterkapitalgesellschaften auch ab dem 01.04.2009 bei der Veranlagung angerechnet und erstattet werden kann, und
  • andererseits die Steuerpflichtige die deutsche Kapitalertragsteuer auf die Dividenden gemäß Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 zwar vor dem 01.04.2009 in vollem Umfang auf die japanische Körperschaftsteuer anrechnen konnte,
  • dies ab dem 01.04.2009 aber allein deshalb misslingt, weil die Dividenden von der GmbH bei der Steuerpflichtigen durch eine neu eingeführte japanische Steuerbefreiung zu 95 % steuerbefreit werden?


Rechtsfrage 3:

Falls eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit anzunehmen sein sollte:

a) Kann die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Gestalt einer Aufteilung der Besteuerungsrechte für die Dividende nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 gerechtfertigt werden?

b) Kann die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer dadurch gerechtfertigt werden, dass die Steuerpflichtige die Befreiung vom Kapitalertragsteuereinbehalt nicht neben der Steuerbefreiung der Dividende in Japan im Wege einer Doppelbegünstigung beanspruchen kann?

Rechtsfrage 4:

Falls durch die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer eine unzulässige und nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gegeben sein sollte:

  • Ist es mit Art. 63 AEUV vereinbar, wenn die Erstattung der Kapitalertragsteuer an die Steuerpflichtige von den Voraussetzungen abhängig gemacht wird, dass die Steuerpflichtige neben der Vorlage einer deutschen Steuerbescheinigung über den Einbehalt der Kapitalertragsteuer zusätzlich den Betrag der deutschen Kapitalertragsteuer in Euro beziffern muss, der in Japan im Bezugsjahr der streitigen Dividenden nicht auf die japanische Körperschaftsteuer angerechnet werden kann,
  • sodass die Erstattung erst zu gewähren ist, wenn die Angaben der Steuerpflichtigen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) nachgewiesen worden sind oder wenn diese Angaben dem BZSt im Wege des Informationsaustauschs mit der japanischen Steuerverwaltung bestätigt worden sind,
  • während eine gebietsansässige Mutterkapitalgesellschaft für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer in der deutschen Körperschaftsteuerveranlagung nur eine Bescheinigung der deutschen Steuerbehörden über den Einbehalt und die Abführung der Kapitalertragsteuer vorlegen muss?
Verlag Dr. Otto Schmidt