29.04.2021

Erste Tätigkeitsstätte bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung nach neuem Reisekostenrecht

Erste Tätigkeitsstätte bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des aufnehmenden Unternehmens, der der Arbeitnehmer im Rahmen eines eigenständigen Arbeitsvertrags mit dem aufnehmenden Unternehmen für die Dauer der Entsendung zugeordnet ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 17.12.2020 - VI R 21/18

DBA USA Art. 4, Art. 15 Abs. 1, Art. 23 Abs. 3 S. 1 Buchst. a S. 2
EStG § 1 Abs. 1 S. 1, § 3 Nr. 16, § 9 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, § 9 Abs, 1 S, 3 Nr. 5a, § 9 Abs. 4 S. 1, § 9 Abs. 4 S. 2, § 9 Abs. 4 S. 3, § 32a Abs. 1, § 32b Abs. 1 S. 1, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, EStG § 32b Abs. 2 S. 1 Nr. 2


Die Steuerpflichtigen waren im Streitjahr gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, da sie --neben ihrer Wohnung in den USA -- im Inland einen Wohnsitz hatten. Die Einnahmen des Steuerpflichtigen aus seiner Tätigkeit in den USA unterlagen gemäß Art. 15 Abs. 1 des DBA-USA nicht der deutschen Besteuerung, da Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die der gemäß Art. 4 DBA-USA in den USA ansässige Steuerpflichtige aus seiner unselbständigen Arbeit bezog, nur in den USA besteuert werden konnten.

Sie unterlagen jedoch dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG i.V.m. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 2 DBA-USA).Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Einkünfte bezogen, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Dabei sind jedoch insbesondere nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfreie Vergütungen nicht in die Ermittlung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte einzubeziehen.

Nach § 3 Nr. 16 EStG 2014 sind die Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber zur Erstattung von Reisekosten, Umzugskosten oder Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung erhalten, steuerfrei, soweit sie die nach § 9 EStG als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen nicht übersteigen.

Zu den Reisekosten gemäß § 3 Nr. 16 EStG zählen auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 4 EStG sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG), sowie notwendige Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Übernachtungen an einer Tätigkeitsstätte, die nicht erste Tätigkeitsstätte ist (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a EStG). Eine doppelte Haushaltsführung i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG unterhielten die Steuerpflichtigen im Streitjahr nicht.

Die Vergütungen, die der Steuerpflichtige für die Flüge zwischen den USA und Deutschland, für Möbelmiete und (anteilig) als Wohnkostenzuschuss erhielt, waren hiernach nicht gemäß § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei, da sie die gemäß § 9 EStG als Werbungskosten abziehbaren Beträge überstiegen. Der Steuerpflichtige konnte die Aufwendungen für die Flüge, die Möbelmiete und die (anteiligen) Wohnkosten nicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a und Nr. 5a EStG als Werbungskosten abziehen. Denn er war in den USA nicht auswärts tätig; vielmehr befand sich seine erste Tätigkeitsstätte im Streitjahr in den USA im Werk der Gastgesellschaft.

Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Im Streitfall war das FG zu Recht davon ausgegangen, dass das Werk der Gastgesellschaft die erste Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen war. Denn es handelte sich um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers des Steuerpflichtigen und die Zuordnung erfolgte dauerhaft.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück