14.01.2021

Erweiterte Kürzung bei Mitvermietung eines zur Nutzung einer Dienstbarkeit angemieteten Gebäudeteils

1. Die An- und Weitervermietung fremden Grundbesitzes neben der Überlassung eigenen Grundbesitzes verstößt nicht gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, wenn sie zwingend notwendiger Teil der wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Überlassung des eigenen Grundbesitzes ist und nur einen geringfügigen Umfang hat.
2. Ein Untererbbaurecht einschließlich des vom Untererbbauberechtigten errichteten Gebäudes ist "eigener Grundbesitz" des Untererbbauberechtigten i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.
3. Ist an einem Grundstück eine Grunddienstbarkeit bestellt, ist die Dienstbarkeit für Zwecke des § 9 Nr. 1 GewStG dem Grundbesitz zuzuordnen, zu dem das herrschende Grundstück gehört.

Kurzbesprechung
BFH v. 22.10.2020 - IV R 4/19

GewStG § 9 Nr. 1 S. 2
BewG § 68 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 96


Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). An Stelle der Kürzung nach Satz 1 tritt nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).

Eigener Grundbesitz i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist der zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörende Grundbesitz. Dieser wird verwaltet und genutzt, wenn er zum Zweck der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt wird, etwa durch Vermietung und Verpachtung. Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten, jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt. Darüber hinaus können auch Nebentätigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gezogenen Rahmens liegen.

Ein Erbbaurecht einschließlich des vom Erbbauberechtigten errichteten Gebäudes ist "eigener Grundbesitz" i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Das Erbbaurecht ist als dingliches Recht bürgerlich-rechtlich dem Grundstück gleichgestellt. Mit seiner Bestellung scheidet das Grundstück aus dem Grundbesitz des Eigentümers i.S. des § 9 Nr. 1 GewStG aus. Fortan ist es dem Grundbesitz des Erbbauberechtigten zuzurechnen.

Ist an dem Erbbaurecht ein Untererbbaurecht bestellt, kann dieses im Verhältnis zum Erbbaurecht nicht anders behandelt werden als das Erbbaurecht im Verhältnis zum Eigentum am Grundstück. Das Grundstück ist dementsprechend ab Bestellung des Untererbbaurechts dem "eigenen Grundbesitz" im Betriebsvermögen des Untererbbauberechtigten zuzurechnen.

Ist an einem Grundstück eine Grunddienstbarkeit bestellt, ist die Dienstbarkeit für Zwecke des § 9 Nr. 1 GewStG dem Grundbesitz zuzuordnen, zu dem das herrschende Grundstück gehört. Dabei ist der Begriff des Grundbesitzes im bewertungsrechtlichen Sinn zu verstehen. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG gehören zum Grundvermögen der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Da Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind, als Bestandteile des Grundstücks gelten (§ 96 BGB), gehört eine Grunddienstbarkeit --anders als ein obligatorisches Nutzungsrecht-- zum Grundvermögen des Eigentümers des herrschenden Grundstücks. Die Dienstbarkeit gehört demgemäß für den Eigentümer des herrschenden Grundstücks zu dessen "eigenem Grundbesitz" i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Ist die Dienstbarkeit für ein Erbbaurecht bestellt, gehört sie folglich zum Grundbesitz des Erbbauberechtigten.

Die Zurechnung der Dienstbarkeit ist nicht gleichbedeutend mit der Zurechnung des belasteten Grundstücksteils. Dieser bleibt weiter Teil des belasteten Grundstücks und das zivilrechtliche Eigentum steht ebenso wie das wirtschaftliche Eigentum i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO demjenigen zu, dem das belastete Grundstück zuzurechnen ist. Dies betrifft sowohl den Grund und Boden als auch auf dem belasteten Grundstücksteil stehende Gebäude, es sei denn, Letztere wären steuerrechtlich einem Anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen.

Die von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG geforderte ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bedeutet, dass grundsätzlich nur die begünstigte Tätigkeit ausgeübt werden darf und es sich ausnahmslos um eigenen Grundbesitz handeln muss. Nebentätigkeiten liegen aber dann noch innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot gezogenen Rahmens und sind ausnahmsweise nicht begünstigungsschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinn dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können Die An- und Weitervermietung fremden Grundbesitzes neben der Überlassung eigenen Grundbesitzes kann danach nur dann eine begünstigte Nebentätigkeit sein, wenn sie zwingend notwendiger Teil der wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Überlassung des eigenen Grundbesitzes ist. Ist der Umfang einer solchen Tätigkeit gering, kommt es nicht zur Versagung der erweiterten Kürzung wegen Verstoßes gegen das Ausschließlichkeitsgebot.

Im Streitfall hatte das FG das Untererbbaurecht der Steuerpflichtigen bzw. deren Rechtsvorgängerin zum eigenen Grundbesitz gerechnet. Mit der Gesamtrechtsnachfolge war das Untererbbaurecht auf die Steuerpflichtige übergegangen, auch wenn die Eintragung im Grundbuch erst später erfolgte. Die Dienstbarkeit (Geh- und Fahrtrecht) war Bestandteil des Untererbbaurechts und damit auch eigener Grundbesitz.

Die Mitvermietung des Teils des Hallengebäudes ohne das Geh- und Fahrtrecht konnte nur dann kürzungsunschädlich erfolgt sein, wenn es sich hierbei um eine Nebentätigkeit zur Überlassung der im Eigentum der Steuerpflichtigen stehenden Halle gehandelt hat. Für den BFH erschien es möglich, dass die Untervermietung des über dem Fahrweg errichteten Hallengebäudes zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Nutzung des Geh- und Fahrtrechts war. Zutreffend hatte das FG auch den Umfang der Nebentätigkeit als unschädlich gewürdigt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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