25.09.2020

Erwerb in Abbruchabsicht im Wege vorweggenommener Erbfolge bei einer Mitunternehmerschaft

Die Rechtsgrundsätze zur Behandlung von Abbruchkosten beim Erwerb eines Gebäudes in Abbruchabsicht gelten auch für den unentgeltlichen Erwerb eines Mitunternehmeranteils im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. § 6 Abs. 3 EStG bewirkt eine Rechtsnachfolge nur in einzelnen vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Beziehungen, begründet aber keine umfassende "Fußstapfentheorie". Die aus der Abbruchabsicht resultierende Qualifikation als Herstellungskosten des neuen Gebäudes bleibt von der in § 6 Abs. 3 EStG geregelten Buchwertfortführung unberührt.

Kurzbesprechung
BFH v. 27.5.2020 - III R 17/19

EStG § 7 Abs. 1 S. 7, § 6 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 6 Abs. 5, § 4 Abs. 4, § 11 Abs. 2 S. 1
HGB § 255 Abs. 1, § 255 Abs. 2


Streitig war, ob der Restbuchwert eines abgebrochenen Gebäudes und die Abbruchkosten beim Steuerpflichtigen sofort abziehbare Betriebsausgaben oder Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes darstellen.

Für den Ansatz von AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG und den Abzug von Abbruchkosten als sofort abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei einem im Zeitpunkt des Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäude kommt es darauf an, ob dieses mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wird. Denn bei dem Erwerb eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht dienen Anschaffung und Herstellung allein dem Ziel der Nutzung durch den Betrieb, weshalb bei dessen Anschaffung oder Herstellung noch kein Zusammenhang mit dem späteren Abbruch und dem damit verfolgten Zweck, nämlich der Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes, besteht. Demgegenüber wird bei einer bereits beim Erwerb des Gebäudes bestehenden Abbruchabsicht ein weiterreichendes Ziel, nämlich die Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts, verfolgt, woraus sich schon bei der Anschaffung ein unmittelbarer Zusammenhang der Anschaffungskosten mit den später beabsichtigten Maßnahmen ergebe, was zur Folge hat, den Restwert des Gebäudes und die Abbruchkosten den Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsgutes zuzurechnen sind.

Der BFH hat nun klargestellt, dass diese Grundsätze nicht nur bei dem entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks oder Gebäudes, sondern auch beim Erwerb im Wege der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge angewandt werden.

Weiterhin werden die Abbruchkosten und der Restwert eines Gebäudes bei der Einlage dieses Grundstücks in das Betriebsvermögen mit Abbruchabsicht den Herstellungskosten des Neubaus zugerechnet. Soweit der Erwerber das unentgeltlich erhaltene Gebäude nicht zur Einkunftserzielung nutzen, sondern abreißen will, um ein neues Gebäude zu errichten, fehlt --wie beim entgeltlichen Erwerb "in" Abbruchabsicht-- jeder Zusammenhang mit den vorher erzielten Einkünften.

Der BFH hält diese von der Rechtsprechung aufgestellten Rechtsgrundsätze auch auf den im Streitfall vorliegenden Fall der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils im Fall der vorweggenommenen Erbfolge nach § 6 Abs. 3 EStG für anwendbar. Durch die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG kommt es zu einem zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Rechtsträgerwechsel.

Der Steuerpflichtige beabsichtigte als Rechtsnachfolger bereits im Zeitpunkt des (unentgeltlichen) Erwerbs im Rahmen vorweggenommener Erbfolge, keine betrieblichen Einkünfte mit dem bislang betrieblich genutzten Gebäude zu erzielen, sondern dieses abzubrechen, um ein neues Gebäude zu errichten. Damit bestand ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Abbruch des vom Steuerpflichtigen ungenutzten und nicht zur Einkünfteerzielung verwendeten Gebäudes und der Herstellung des Neubaus. Der Gebäudeabriss war daher maßgeblich durch die neue Zweckbestimmung --Bau eines neuen Gebäudes-- veranlasst und stand daher zu diesem in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang.

Dieser enge wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Abbruch des alten und Errichtung des neuen Gebäudes rechtfertigt es, die mit dem Abbruch verbundenen Aufwendungen --ebenso wie den Buchwert des abgebrochenen Gebäudes bei noch vorhandener Werthaltigkeit-- als Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsguts zu behandeln.

Dabei gebietet auch der in § 6 Abs. 3 EStG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke der Betriebskontinuität keinen Anlass dafür, die Grundsätze des Erwerbs in Abbruchabsicht im Streitfall nicht anzuwenden. Denn § 6 Abs. 3 EStG ist kein Ausdruck einer allumfassenden steuerlichen Rechtsnachfolge. Die unentgeltliche Übertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge bewirkt auch steuerlich nur eine Rechtsnachfolge in einzelnen vom Gesetz bestimmten Beziehungen.

§ 6 Abs. 3 EStG orientiert sich an den Werten des Rechtsvorgängers, erfasst daher regelmäßig nicht die steuerliche Beurteilung der beim Rechtsnachfolger angefallenen eigenen Aufwendungen. Aus § 6 Abs. 3 EStG lässt sich daher nicht folgern, dass bei unentgeltlicher Übertragung eines Gebäudes im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge die Grundsätze über den Erwerb in Abbruchabsicht nicht zu berücksichtigen sind. Im Hinblick auf den Verzicht der Gewinnrealisation nimmt diese Norm eine Sonderstellung im System des vom Grundsatz der Individualbesteuerung geprägten Einkommensteuerrechts ein; es handelt sich insoweit um eine "atypische" Regelung des Einkommensteuerrechts, in denen "ausnahmsweise" bereits in der Person des Rechtsvorgängers begründete Besteuerungsmerkmale und Rechtspositionen beim unentgeltlichen Rechtsnachfolger fortwirken.

Im Streitfall blieb die aus der Abbruchabsicht resultierende Qualifikation als Herstellungskosten des neuen Gebäudes von der in § 6 Abs. 3 EStG geregelten Buchwertfortführung unberührt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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