27.07.2011

Erwerbsminderungsrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden wie Altersrenten besteuert

Auch die Erwerbsminderungsrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind - wie die Altersrenten - nicht mit dem - gewöhnlich niedrigeren - Ertragsanteil, sondern mit dem sog. Besteuerungsanteil zu besteuern. Die Einbeziehung der Erwerbsminderungsrenten ist nicht verfassungswidrig.

BFH 13.4.2011, X R 54/09 u.a.
Der Sachverhalt:
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hatte der Klägerin im Fall Az.: X R 54/09 mit Bescheid von Dezember 2004 die Weiterzahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. monatlich rund 717 € bis zum November 2006 bewilligt. Für diese Renteneinkünfte begehrte die Klägerin die Besteuerung mit einem Ertragsanteil i.H.v. von 4 % gem. § 55 Abs. 2 EStDV. Demgegenüber besteuerte das Finanzamt die Renteneinkünfte mit dem Besteuerungsanteil von 50 % gem. § 22 Nr. 1 S. 3a Doppelbuchst. aa EStG i.d.F. des AltEinkG vom 5.7.2004.

Das FG wies die Klage ab. Die Klägerin war der Ansicht, der fehlende Hinweis auf § 55 Abs. 2 EStDV in § 22 Nr. 1 S. 3a Doppelbuchst. aa EStG beruhe auf einem gesetzgeberischen Versehen. Dieses Versehen sei dadurch zu korrigieren, dass auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bezugnahme § 55 Abs. 2 EStDV zur Anwendung komme. Ein bewusster Verzicht des Gesetzgebers auf den Verweis hätte die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung in Bezug auf die Erwerbsminderungsrenten zur Folge. Die Neuregelung wirke sich gerade bei abgekürzten Leibrenten "eklatant" aus.

Im teilweise inhaltsgleichen Fall Az.: X R 19/09 erhielt die Klägerin ihre Rentenbeträge wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab Juli 2004 erst im Streitjahr 2006. auch hier besteuerte das Finanzamt die Nachzahlungen i.H.v. 20.804 € nicht mit dem - gewöhnlich niedrigeren - Ertragsanteil, sondern mit dem sog. Besteuerungsanteil. Hier war die Klägerin der Ansicht, später geänderte Vorschriften könnten nicht zu ihren Lasten angewandt werden. Doch auch hier wies das FG die Klage ab.

Die Revisionen der Klägerinnen blieben vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung gehören zu den Leibrenten und sonstigen Leistungen, die gem. § 22 Nr. 1 S. 3a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind.

Eine Ertragsanteilsbesteuerung gem. § 22 Nr. 1 S. 3a Doppelbuchst. bb EStG i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV war nicht möglich. Der fehlende Hinweis auf eine Ertragsanteilsbesteuerung beruhte - im Gegensatz zur Ansicht der Kläger im Fall Az.: X R 54/09 - auf keinem Versehen des Gesetzgebers. Dieser hatte vielmehr bewusst entschieden, abgekürzte und nicht abgekürzte Leibrenten der Basisversorgung gleich zu behandeln, so dass es eines Hinweises nicht bedurfte. Begründet wurde dies mit der steuerlichen Entlastung der zugrunde liegenden Beiträge. Die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Besteuerung der Sozialversicherungsrenten nicht nach abgekürzten und lebenslangen Leibrenten zu differenzieren, entsprach dem Sinn und Zweck der durch das AltEinkG eingeführten nachgelagerten Besteuerung der Alterseinkünfte.

Die durch die Neuregelung des § 22 Nr. 1 S. 3 EStG eingetretene Steuermehrbelastung ist durch den grundlegenden Systemwechsel der Rentenbesteuerung, der durch die BVerfG-Rechtsprechung notwendig geworden war, gerechtfertigt. Es besteht kein entscheidender Unterschied zu den Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Auch die Nachzahlungen früherer Jahre im Fall Az.: X 19/09 waren mit dem Besteuerungsanteil von 50 % zu besteuern. Es bedurfte keiner teleologischen Reduktion der Vorschrift. Die Neuregelung des AltEinkG ist auch im Hinblick auf Nachzahlungen verfassungsgemäß und verstößt insbesondere nicht gegen das Verbot der unzulässigen Rückwirkung.

Hintergrund:
Der BFH hatte bereits 2009 und 2010 die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes in Bezug auf die Altersrenten grundsätzlich bejaht. Nun hat er entschieden, dass die Neuregelung auch in Bezug auf die Erwerbsminderungsrenten nicht gegen die Verfassung verstoße.

Linkhinweis:

  • Die Volltexte der Entscheidungen sind auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext der Entscheidung Az.: X R 54/09 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext der Entscheidung Az.: X R 19/09 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext der Entscheidung Az.: X R 33/09 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 56 vom 27.7.2011
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