15.10.2018

Es bestehen verfassungsrechtliche Zweifel an der Zinshöhe bereits ab 2014

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Höhe des Zinssatzes für Aussetzungszinsen von jährlich 6 % für Zeiträume ab 2014. Für Zeiträume bis einschließlich 2013 bestehen dagegen keine hinreichend gewichtigen verfassungsrechtlichen Bedenken; zwar dürfte der Zinssatz jedenfalls für 2013 oberhalb der Bandbreite eines realitätsgerechten Spektrums liegen, dem Gesetzgeber ist jedoch ein gewisser Beobachtungszeitraum zuzubilligen.

FG Münster 31.8.2018, 9 V 2360/18 E
Der Sachverhalt:

Das Finanzamt setzte die Vollziehung von Einkommensteuernachforderungen gegenüber den Antragstellern aus. Die Aussetzung lief aufgrund eines Klageverfahrens, das sich nach Zurückverweisung durch den BFH über zwei Rechtsgänge erstreckte, über mehrere Jahre und führte zur Festsetzung von Aussetzungszinsen i.H.v. mehr als 60.000 €. Hiergegen legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung.

Das Finanzamt entsprach dem Antrag im Hinblick auf den BFH-Beschluss vom 25.4.2018 (IX B 21/18) nur für Zeiträume des Zinslaufs ab dem 1.4.2015 und lehnte ihn im Übrigen ab. Mit ihrem gerichtlichen Aussetzungsantrag machten die Antragsteller geltend, dass die Zinshöhe von 6 % pro Jahr auch für frühere Zeiträume realitätsfern bemessen sei.

Das FG gab dem Antrag teilweise statt. Die beim BFH anhängige Beschwerde wird dort unter dem Az. VIII B 128/18 geführt.

Die Gründe:

Die Vollziehung des Zinsbescheides vom 30.5.2018 wird über die vom Finanzamt bereits gewährte Aussetzung der Vollziehung hinaus ausgesetzt und aufgehoben, soweit darin für den Verzinsungszeitraum vom 1.1.2014 bis 31.3.2015 ein Zinssatz von mehr als 3 % zugrunde gelegt worden ist. Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.

Es ist auch für den Zeitraum vom 1.1.2014 bis zum 31.3.2015 ernstlich zweifelhaft, ob die Zinshöhe von 0,5 % pro Monat dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, denn bereits im Jahr 2014 hat sich die lang andauernde Niedrigzinsphase ernstlich verfestigt. Dennoch war für diesen Zeitraum die Vollziehung des Zinsbescheids nicht vollständig auszusetzen, sondern nur, soweit der Zinssatz die Schwelle von jährlich 3 % (gleich 0,25 % pro Monat) überstieg. Auch in einer Niedrigzinsphase ist ein vollständiger Verzicht auf die Erhebung von Aussetzungszinsen nicht geboten.

Für Zeiträume bis einschließlich 2013 bestehen dagegen keine hinreichend gewichtigen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar dürfte der Zinssatz jedenfalls für 2013 oberhalb der Bandbreite eines realitätsgerechten Spektrums liegen, dem Gesetzgeber ist jedoch ein gewisser Beobachtungszeitraum zuzubilligen.

Linkhinweis:

FG Münster NL vom 15.10.2018
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