24.06.2013

EuGH-Vorlage: Lizenzvorlage schon im Ausfuhrverfahren?

Ist bei der Entscheidung über die Gewährung von Ausfuhrerstattung von der ordnungsgemäßen Vorlage einer Ausfuhrlizenz auszugehen, wenn die Ausfuhrzollstelle die Ausfuhranmeldung ohne Vorlage der Lizenz angenommen hat, dem Ausführer dabei gestattet hat, die Lizenz binnen einer bestimmten Frist nachzureichen, und dieser dem nachgekommen ist? Dies ist eine von vier Fragen, die der BFH dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, weil ihm die Antwort darauf nicht klar und eindeutig erschien.

BFH 16.4.2013, VII R 67/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte 2002 Fetakäse zur Ausfuhr unter Gewährung von (differenziert festgesetzter) Ausfuhrerstattung angemeldet und dabei auf eine von dänischen Behörden ausgestellte Lizenz hingewiesen. Diese legte sie jedoch nicht mit der Ausfuhranmeldung vor. Das deutsche Ausfuhrzollamt gewährte ihr deshalb nach Beschau eine "Vorlagefrist" von einer Woche. Als die Lizenz, die bereits vor Abgabe der Ausfuhranmeldung ausgestellt worden war, innerhalb dieser Frist vorgelegt wurde, schrieb das Zollamt die Ware auf ihr ab.

Das Hauptzollamt lehnte jedoch den Zahlungsantrag der Klägerin ab, weil die Ausfuhr ohne gültige Lizenz erfolgt sei. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Vorlage der Lizenz hätten nicht vorgelegen. Außerdem forderte die Behörde von der Klägerin eine Sanktion an, nachdem diese zum Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten in dem Bestimmungsland (Jugoslawien/Kosovo) ein gefälschtes Zolldokument vorgelegt hatte, das erst im Verlauf des weiteren Verwaltungsverfahrens durch ein echtes Dokument ersetzt wurde.

Das FG wies die gegen die Ablehnung des Erstattungsantrages und den Sanktionsbescheid gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende die richtige Auslegung des Unionsrechts betreffenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vor:

1. Ist bei der Entscheidung über die Gewährung von Ausfuhrerstattung von der ordnungsgemäßen Vorlage einer Ausfuhrlizenz gem. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen auszugehen, wenn die Ausfuhrzollstelle die Ausfuhranmeldung ohne Vorlage der Lizenz angenommen hat, dem Ausführer dabei gestattet hat, die Lizenz binnen einer bestimmten Frist nachzureichen, und dieser dem nachgekommen ist?

2. Sofern diese Frage zu verneinen ist: Verlangt Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen zwingend die Vorlage der Ausfuhrlizenz schon bei der Abgabe der Ausfuhranmeldung oder reicht es aus, wenn der Ausführer eine (ihm vor der Ausfuhr erteilte) Ausfuhrlizenz erst im Zahlungsverfahren vorlegt?

3. Kann der Ausführer, der zunächst gefälschte Zolldokumente für die Ankunft der Ausfuhrware im Bestimmungsland vorgelegt hat, gültige Zolldokumente noch nach Ablauf der für die Vorlage in der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen festgelegten Fristen anspruchswahrend vorlegen, wenn die verspätete Vorlage die Abwicklung des Zahlungsverfahrens nicht verzögert oder behindert hat, weil der Erstattungsantrag zunächst aus anderen Gründen als der fehlenden Vorlage solcher Ankunftsnachweise abgelehnt worden ist und diese vorgelegt werden, nachdem die Fälschung jener Dokumente erkannt worden ist?

4. Ist eine Sanktion gem. Art. 51 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen auch dann verwirkt, wenn die beantragte Ausfuhrerstattung zwar der tatsächlich zu gewährenden entspricht, der Ausführer aber im Zahlungsverfahren zunächst Dokumente vorgelegt hat, auf Grund derer ihm Ausfuhrerstattung nicht hätte gewährt werden können?

Die Gründe:
Hat ein Ausführer nicht den von Art. 16 Verordnung Nr. 800/1999 geforderten Nachweis der Einfuhr der Waren in das Drittland (bzw. eines der Drittländer, für das die von ihm beanspruchte differenzierte Ausfuhrerstattung festgesetzt ist) vorgelegt bzw. nur einen scheinbaren, in Wahrheit gefälschten Nachweis, kann ihm die Ausfuhrerstattung nicht gewährt werden.

Der EuGH hat die darüber hinaus zu beachtende Sanktionsregelung des Art. 51 Abs. 1 Verordnung Nr. 800/1999 in seinem Urteil vom 14.4.2005 (C-385/03) zunächst maßgeblich mit den von einer Ausfuhranmeldung ausgehenden Gefahren gerechtfertigt, mit welcher eine höhere als die dem Ausführer tatsächlich zustehende Erstattung begehrt wird. Er hat dazu ausgeführt, es genüge für die Anwendung der Sanktion bereits die Möglichkeit, dass unrichtige Angaben in der Ausfuhranmeldung oder einem anderen bei der Ausfuhr verwendeten Dokument zur unrechtmäßigen Zahlung von Erstattungen führen.

Nach dem EuGH-Urteil vom 24.4.2008 (C-143/07) ist allerdings eine Sanktion auch dann zu verhängen, wenn sich erst nach der Antragstellung ein Sachverhalt zugetragen hat, auf Grund dessen dem Ausführer die mit der Ausfuhranmeldung beantragte Ausfuhrerstattung nicht oder nicht in der nach seinen Angaben zu erwartenden Höhe zusteht, etwa weil die Ausfuhr des Erzeugnisses nicht stattfindet. Dies zeigt, dass die Sanktionsregelung auch dann anzuwenden ist, wenn nicht schon bei der Abgabe der Ausfuhranmeldung von dem Ausführer eine höhere als die ihm tatsächlich zustehende Erstattung beantragt wird, wohl aber auf Grund bei Durchführung des Zahlungsverfahrens eingetretener Umstände der in der Ausfuhranmeldung enthaltene Erstattungsantrag rückblickend unberechtigt erscheint.

Ist aber ungeachtet einer materiell-rechtlich bestehenden Berechtigung des Begehrens, Erstattung zu erhalten, von einem solchen unberechtigten Erstattungsantrag schon deshalb auszugehen, weil der Ausführer mit seinem Zahlungsantrag zunächst Dokumente vorgelegt hat, auf Grund deren ihm (weil sie gefälscht sind) Ausfuhrerstattung nicht gewährt werden kann, wenn er doch nachträglich in den Besitz von Dokumenten gelangt, die den gesetzlichen Anforderungen an die Gewährung von Ausfuhrerstattung genügen, und er diese - möglicherweise sogar noch in einem aus anderen Gründen anhängigen Rechtsbehelfsverfahren - der Behörde vorlegt? Auch in einem solchen Fall gehen allerdings von dem Verhalten des Ausführers erhebliche Gefahren für die finanziellen Interessen der Union aus, weil die Verneinung dieser Frage dazu einladen könnte, im Zahlungsverfahren beweisungeeignete Unterlagen in der Hoffnung vorzulegen, diese würden nicht als solche erkannt werden, und die Vorlage in diesem Fall zur unrechtmäßigen Zahlung von Erstattungen führen würde.

Infolgedessen hat der beschließende Senat das bei ihm anhängige Revisionsverfahren ausgesetzt und erbittet vom EuGH eine Vorabentscheidung zu den vier formulierten Fragen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BFH online
Zurück