14.08.2025

EuGH-Vorlage zum Bestehen eines unionsrechtlichen Anspruchs auf einen Steueranrechnungsvortrag im früheren Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren

Können ausländische Steuern nicht nach § 26 Abs. 2 bis 6 KStG 1999 periodenübergreifend auf die deutsche Körperschaftsteuer angerechnet werden, wenn es an einer gesonderten Feststellung der Anrechnungsüberhänge im jeweiligen Veranlagungszeitraum fehlt? Vorabentscheidungsersuchen zum Bestehen eines unionsrechtlichen Anspruchs auf einen Steueranrechnungsvortrag im früheren Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren.

Kurzbesprechung
EuGH-Vorlage des I. Senats des BFH v. 26.3.2025 - I R 6/22

EWGRL 435/90 Art 1 Abs 1, EWGRL 435/90 Art 2, EWGRL 435/90 Art 3, EWGRL 435/90 Art 4 Abs 1
EGVtr Art 52, EGVtr Art 58, EGVtr Art 73b
EG Art 43, EG Art 48, EG Art 56
AEUV Art 49, Art. 267
KStG § 26 Abs 2, KStG § 26 Abs 2a, KStG § 26 Abs 6
DBA GRC Art XVII Abs 2 Nr. 2 Buchst b


Der I. Senat des BFH hat dem EuGH folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht Art. 4 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 90/435/EWG nationalen Regelungen entgegen, nach denen Ausschüttungen einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Tochtergesellschaft bei einer Verluste erzielenden inländischen Muttergesellschaft zu einer Kürzung ihres Verlustvortrags in Höhe dieser Ausschüttungen führen, die von der Tochtergesellschaft auf die Ausschüttungen entrichteten Steuern jedoch weder im Jahr des Dividendenbezugs noch in dem Jahr, in dem die Muttergesellschaft die vorgetragenen Verluste übersteigende Gewinne erzielt, angerechnet werden?

2. Für den Fall, dass die erste Vorlagefrage zu bejahen sein sollte: Ergibt sich dann, wenn ein Mitgliedstaat sich zur Umsetzung der Richtlinie 90/435/EWG in nationales Recht für das in Art. 4 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 90/435/EWG vorgesehene Anrechnungssystem entschieden hat und dieser Mitgliedstaat die Anrechnung deshalb nicht richtlinienkonform ausgestaltet hat, weil er eine Steueranrechnung ausschließlich in dem Jahr des Dividendenbezugs vornimmt, obwohl eine Besteuerung dieser Dividenden wegen im nationalen Recht vorgesehener Verlustvortragsmöglichkeiten auch in späteren Veranlagungszeiträumen eintreten kann, aus der Richtlinie ein Direktanspruch auf eine Steueranrechnung in Form eines Anrechnungsvortrags?

3. Falls die Richtlinie 90/435/EWG keinen Direktanspruch auf einen Anrechnungsvortrag gewährt (Fragen zu 1. und 2.): Ergibt sich ein solcher Anspruch als Folge eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 52 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Maastricht bzw. Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Amsterdam, jetzt Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon)?

4. Ergibt sich eine andere Beurteilung der Fragen zu 1. bis 3. für die Dividenden, die die Muttergesellschaft nicht unmittelbar selbst bezogen hat, sondern die ihre ebenfalls ausschließlich Verluste erzielende hundertprozentige Tochtergesellschaft bezogen hatte (hier: Jahre 1993 bis 1996), bevor diese unter Übergang auch ihres Verlustvortrags auf die Muttergesellschaft verschmolzen worden ist?

Das Verfahren wurde bis zum Ergehen der EuGH-Entscheidung ausgesetzt.

Verlag Dr. Otto Schmidt