18.06.2020

EuGH-Vorlage zur Organschaft

Der BFH hat die Frage der bislang maßgebenden Besteuerungsgrundsätze bei Vorliegen einer Organschaft dem EuGH zur Prüfung hinsichtlich der Europarechtskompatibilität der Regelungen vorgelegt.

Kurzbesprechung
BFH v. 7.5.2020 - V R 40/19

UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 9a Nr. 2,
EWGRL 388/77 Art 4 Abs. 4 UAbs. 2, EWGRL 388/77 Art 6 Abs. 2, EWGRL 388/77 Art 4 Abs. 5, EWGRL 388/77 Art 2 Nr. 1,
EGRL 112/2006 Art 11


Der XI. Senat des BFH sieht es insbesondere im Hinblick auf das EuGH-Urteil Skandia America (USA) vom 17.09.2014 - C-7/13 (EU:C:2014:2225, Rz 28) zu einer "Mehrwertsteuergruppe" als klärungsbedürftig an, ob die Bestimmungen der Richtlinie "es einem Mitgliedstaat gestatten, anstelle der Mehrwertsteuergruppe (des Organkreises) ein Mitglied der Mehrwertsteuergruppe (den Organträger) zum Steuerpflichtigen zu bestimmen" (BFH-Beschluss vom 11.12.2019 - XI R 16/18, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2020, 338, erste Vorlagefrage; Aktenzeichen des EuGH: C-141/20, Rechtssache Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie, betreffend die Klage einer GmbH, die geltend macht, Organgesellschaft zu sein). Hierdurch sind Zweifel an der zutreffenden Auslegung des Unionsrechts entstanden, die eine Beantwortung der ersten Vorlagefrage im vorliegenden Rechtsstreit durch den EuGH erforderlich machen.

Der V. Senat des BFH hat daher dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern für die Mitgliedstaaten vorgesehene Ermächtigung, in ihrem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, in der Weise auszuüben,

a) dass die Behandlung als ein Steuerpflichtiger bei einer dieser Personen erfolgt, die Steuerpflichtige für alle Umsätze dieser Personen ist oder in der Weise,

b) dass die Behandlung als ein Steuerpflichtiger zwingend und damit auch unter Inkaufnahme erheblicher Steuerausfälle zu einer von den eng miteinander verbundenen Personen getrennten Mehrwertsteuergruppe führen muss, bei der es sich um eine eigens für Mehrwertsteuerzwecke zu schaffende fiktive Einrichtung handelt?

2. Falls zur ersten Frage die Antwort a) zutreffend ist: Folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den unternehmensfremden Zwecken im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union VNLTO vom 12.02.2009 - C-515/07, EU:C:2009:88), dass bei einem Steuerpflichtigen,

a) der zum einen eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und dabei entgeltliche Leistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern erbringt und

b) der zum anderen zugleich eine Tätigkeit ausübt, die ihm im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt (Hoheitstätigkeit), für die er nach Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern nicht als Steuerpflichtiger gilt, die Erbringung einer unentgeltlichen Dienstleistung aus dem Bereich seiner wirtschaftlichen Tätigkeit für den Bereich seiner Hoheitstätigkeit keine Besteuerung nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern vorzunehmen ist?

Das Verfahren hat der BFH wird bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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