EuGH-Vorlage zur Prüfung von Vertrauensschutz bei der Differenzbesteuerung
Kurzbesprechung
EuGH-Vorlage v. 19.2.2025 - XI R 23/24
EGRL 112/2006 Art 314
UStG § 25a
AO § 163, AO § 227
AEUV Art 267 Abs 3
GKG § 39 Abs 1, GKG § 45 Abs 1 S 3, GKG § 52 Abs 1
FGO § 139
Steht Art. 314 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem unter Beachtung des Effektivitätsgebots einer nationalen Praxis entgegen, die einen guten Glauben des Wiederverkäufers an die Erfüllung der Voraussetzungen der Differenzbesteuerung bei seinem Vorlieferanten, der in seinen Rechnungen angegeben hat, die Differenzbesteuerung auf die Lieferung an den Wiederverkäufer angewendet zu haben, nur außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens berücksichtigt?
Die Steuerpflichtige handelt u.a. mit Uhren. In ihren Umsatzsteuererklärungen wandte sie auf einen Teil ihrer Umsätze die sog. Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) an, bei der nicht der gesamte Verkaufspreis der Uhr, sondern lediglich die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Einkaufspreis der Umsatzsteuer unterworfen wird. Dies ist u.a. dann möglich, wenn der Vorlieferant, der der Steuerpflichtigen die Uhr verkauft hat, ebenfalls ein Wiederverkäufer ist. In den Fällen, in denen die Vorlieferanten in ihren Rechnungen an die Steuerpflichtige angegeben hatten, dass dies in Bezug auf die gelieferten Uhren der Fall sei, wendete sie die Differenzbesteuerung an.
Da die Angaben der Vorlieferanten in den Rechnungen teilweise unzutreffend waren, berief sich die Steuerpflichtige darauf, dass sie gutgläubig gewesen sei und berechtigterweise auf die Angaben ihrer Vorlieferanten habe vertrauen dürfen.
FA und FG folgten dieser Argumentation nicht. Das FG nahm an, dass es nicht prüfen müsse, ob die Steuerpflichtige tatsächlich gutgläubig gewesen sei, weil sie sich im Klageverfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid nicht auf ihren angeblichen guten Glauben berufen dürfe. Hierzu müsse ein gesondertes Billigkeitsverfahren (z.B. Antrag auf Erlass der Umsatzsteuer) durchgeführt werden.
Im Revisionsverfahren hält es der XI. Senat des BFH für unionsrechtlich zweifelhaft, ob es der Bundesrepublik Deutschland erlaubt ist, den Steuerpflichtigen zum Schutz seines guten Glaubens auf ein weiteres Verfahren (Billigkeitsverfahren) zu verweisen. Der BFH hält es für möglich, dass dem Steuerpflichtigen kein weiteres Verfahren zugemutet werden darf, weil ihm ein weiteres Verfahren "hinsichtlich seiner Länge, Komplexität und der damit verbundenen Kosten unverhältnismäßige Schwierigkeiten" bereitet.
Als besonders kritisch sieht der BFH die erhebliche Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer sowie das doppelte Kostenrisiko an, das ein Steuerpflichtiger eingehen muss, wenn er zunächst ein Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung und --zeitlich daran anschließend-- ein Klageverfahren gegen eine ablehnende Billigkeitsentscheidung anstrengen muss.
Die Antwort des EuGH könnte für das gesamte Umsatzsteuerrecht (und nicht nur für die Differenzbesteuerung) von Bedeutung sein.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EGRL 112/2006 Art 314
UStG § 25a
AO § 163, AO § 227
AEUV Art 267 Abs 3
GKG § 39 Abs 1, GKG § 45 Abs 1 S 3, GKG § 52 Abs 1
FGO § 139
Steht Art. 314 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem unter Beachtung des Effektivitätsgebots einer nationalen Praxis entgegen, die einen guten Glauben des Wiederverkäufers an die Erfüllung der Voraussetzungen der Differenzbesteuerung bei seinem Vorlieferanten, der in seinen Rechnungen angegeben hat, die Differenzbesteuerung auf die Lieferung an den Wiederverkäufer angewendet zu haben, nur außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens berücksichtigt?
Die Steuerpflichtige handelt u.a. mit Uhren. In ihren Umsatzsteuererklärungen wandte sie auf einen Teil ihrer Umsätze die sog. Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) an, bei der nicht der gesamte Verkaufspreis der Uhr, sondern lediglich die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Einkaufspreis der Umsatzsteuer unterworfen wird. Dies ist u.a. dann möglich, wenn der Vorlieferant, der der Steuerpflichtigen die Uhr verkauft hat, ebenfalls ein Wiederverkäufer ist. In den Fällen, in denen die Vorlieferanten in ihren Rechnungen an die Steuerpflichtige angegeben hatten, dass dies in Bezug auf die gelieferten Uhren der Fall sei, wendete sie die Differenzbesteuerung an.
Da die Angaben der Vorlieferanten in den Rechnungen teilweise unzutreffend waren, berief sich die Steuerpflichtige darauf, dass sie gutgläubig gewesen sei und berechtigterweise auf die Angaben ihrer Vorlieferanten habe vertrauen dürfen.
FA und FG folgten dieser Argumentation nicht. Das FG nahm an, dass es nicht prüfen müsse, ob die Steuerpflichtige tatsächlich gutgläubig gewesen sei, weil sie sich im Klageverfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid nicht auf ihren angeblichen guten Glauben berufen dürfe. Hierzu müsse ein gesondertes Billigkeitsverfahren (z.B. Antrag auf Erlass der Umsatzsteuer) durchgeführt werden.
Im Revisionsverfahren hält es der XI. Senat des BFH für unionsrechtlich zweifelhaft, ob es der Bundesrepublik Deutschland erlaubt ist, den Steuerpflichtigen zum Schutz seines guten Glaubens auf ein weiteres Verfahren (Billigkeitsverfahren) zu verweisen. Der BFH hält es für möglich, dass dem Steuerpflichtigen kein weiteres Verfahren zugemutet werden darf, weil ihm ein weiteres Verfahren "hinsichtlich seiner Länge, Komplexität und der damit verbundenen Kosten unverhältnismäßige Schwierigkeiten" bereitet.
Als besonders kritisch sieht der BFH die erhebliche Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer sowie das doppelte Kostenrisiko an, das ein Steuerpflichtiger eingehen muss, wenn er zunächst ein Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung und --zeitlich daran anschließend-- ein Klageverfahren gegen eine ablehnende Billigkeitsentscheidung anstrengen muss.
Die Antwort des EuGH könnte für das gesamte Umsatzsteuerrecht (und nicht nur für die Differenzbesteuerung) von Bedeutung sein.