21.09.2020

EuGH-Vorlage zur Verzinsung von erstatteten Antidumpingzöllen

Ist ein Verstoß gegen das Unionsrecht als Voraussetzung des vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten unionsrechtlichen Zinsanspruchs auch gegeben, wenn eine mitgliedstaatliche Behörde eine Abgabe unter Anwendung des Unionsrechts festsetzt, ein mitgliedstaatliches Gericht jedoch später feststellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erhebung der Abgabe nicht vorliegen?

FG Hamburg v. 1.9.2020 - 4 K 14/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte in den Jahren 2010 und 2011 Verbindungselemente von einem in Indonesien ansässigen Unternehmen, ein Tochterunternehmen eines großen chinesischen Herstellers von Verbindungselementen, eingeführt. Die Einfuhr von bestimmten Verbindungselementen aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China unterlag nach der Verordnung (EG) Nr. 91/2009[1] einem Antidumpingzoll. Da das Hauptzollamt (HZA) gestützt auf Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) der Auffassung war, dass der Ursprung der von der Klägerin eingeführten Verbindungselemente China gewesen sei, erhob es mit mehreren Bescheiden aus dem Jahre 2013 gegenüber der Klägerin Antidumpingzoll nach, den die Klägerin in der Folge entrichtete.

Mit Urteil vom 3.4.2019 (4 K 191/16) gab das FG Hamburg der Klägerin recht und hob die ihr gegenüber festgesetzten Antidumpingzölle mit der Begründung auf, dass das beweisbelastete HZA nicht nachgewiesen habe, dass die eingeführten Verbindungselemente ihren Ursprung in China gehabt hätten. Das Urteil ist rechtskräftig.

Das HZA erstattete der Klägerin die von ihr entrichteten Antidumpingzölle im Mai 2019; den Antrag der Klägerin auf Verzinsung der von ihr entrichteten Antidumpingzölle für den Zeitraum ab ihrer Entrichtung bis zur Erstattung lehnte es indes ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage setzte das FG das Verfahren aus und legte dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor, weil die rechtliche Würdigung des Falles zweifelhaft sei.

Die Gründe:
Der beschließende Senat hält es für unionsrechtlich nicht zweifelhaft, dass die Klägerin zumindest Prozesszinsen gestützt auf die nationale Vorschrift des § 236 Abs. 1 Satz 1 AO beanspruchen kann. Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des beschließenden Senats vom 3.4.2019 (4 K 191/16) hat das HZA der Klägerin im Mai 2019 den von ihr entrichteten Antidumpingzoll erstattet; die Voraussetzungen des § 236 Abs. 1 Satz 1 AO sind im Streitfall erfüllt. Der Senat hat auch keinen vernünftigen Zweifel, dass die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 236 Abs. 1 Satz 1 AO durch Art. 116 Abs. 6 UZK, wonach - in Abweichung von der bisherigen Regelung des Art. 241 UAbs. 1 Satz 2 ZK - im Falle der Erstattung von den betreffenden Zollbehörden keine Zinsen zu zahlen sind, nicht ausgeschlossen ist.

Unionsrechtlich zweifelhaft ist allerdings, ob die Klägerin Zinsen auch für den Zeitraum ab Entrichtung des rechtswidrig vom beklagten Hauptzollamt festgesetzten Antidumpingzolls beanspruchen kann. Ein solcher Zinsanspruch findet im nationalen Recht keine Rechtsgrundlage. Der Erfolg der von der Klägerin erhobenen Klage ist vielmehr davon abhängig, ob sie ihr Zinsbegehren auf den vom EuGH entwickelten unionsrechtlichen Zinsanspruch stützen kann.

Der Senat hat allerdings Zweifel, ob die Voraussetzungen des vom EuGH aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz abgeleiteten Zinsanspruchs auch in einer Konstellation - wie hier - gegeben sind, wenn die mitgliedstaatliche Behörde die Abgabe unter Anwendung des Unionsrechts festgesetzt hat, weil sie davon überzeugt gewesen ist, dass die (unions-)rechtlichen Voraussetzungen der Abgabenerhebung erfüllt sind, jedoch später ein mitgliedstaatliches Gericht feststellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Abgabenerhebung nicht erwiesen sind und daher die Abgabe unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben worden ist.

Infolgedessen wird dem EuGH folgende Frage zur Auslegung von Handlungen der Organe der Union im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist ein Verstoß gegen das Unionsrecht als Voraussetzung des vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten unionsrechtlichen Zinsanspruchs auch gegeben, wenn eine mitgliedstaatliche Behörde eine Abgabe unter Anwendung des Unionsrechts festsetzt, ein mitgliedstaatliches Gericht jedoch später feststellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erhebung der Abgabe nicht vorliegen?
Justizportal Hamburg
Zurück