18.02.2015

Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Betriebsstätten bei Selbständigen

Die für die Arbeitnehmer geltenden Ausnahmen von den Abzugsbeschränkungen der Fahrtkosten gelten im Falle gleichliegender Sachverhalte bei den selbständig Tätigen grundsätzlich ebenso. Fahrtkosten einer selbständig tätigen Musiklehrerin sind zum uneingeschränkten Betriebsausgabenabzug zuzulassen, wenn sie zwischen Wohnung und ständig wechselnden Unterrichtseinrichtungen anfallen und keiner dieser Beschäftigungsstätten eine besondere zentrale Bedeutung zukommt.

BFH 23.10.2014, III R 19/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin erteilte im Streitjahr 2008 als freiberuflich tätige Musiklehrerin im Auftrag einer kommunalen Musikschule in mehreren Schulen und Kindergärten Musikunterricht. Im Regelfall suchte sie jede dieser Einrichtungen einmal wöchentlich auf und benutzte hierfür ihr privates Kfz. Zusätzlich unternahm sie Fahrten zur Musikschule und zu anderen Zielen. In ihrer Wohnung unterhielt sie ein Arbeitszimmer, in dem sie den Unterricht vorbereitete, Musikinstrumente lagerte und Büroarbeiten erledigte.

In der Einkommensteuererklärung für 2008 ermittelte die Klägerin den Gewinn aus ihrer Lehrtätigkeit nach § 4 Abs. 3 EStG. Als Betriebsausgaben machte sie u.a. Fahrtkosten i.H.v. rd. 1.100 € geltend. Dabei setzte sie für jeden der gefahrenen Kilometer pauschal 0,30 € an. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Fahrtkosten nur zur Hälfte, also i.H.v. 0,30 € pro Entfernungskilometer an, weil es sich bei allen Fahrten um solche zwischen Wohnung und Betriebsstätte handele.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der steuerrechtliche Abzug der Fahrtkosten nicht nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG durch die Entfernungspauschale begrenzt ist.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist der Begriff einer Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG weiter zu fassen als im Rahmen des § 12 AO, der eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung voraussetzt. Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG ist der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden. Danach könnte die Klägerin bei der Ermittlung ihres Gewinns ihre Aufwendungen für die Fahrten zwischen der Wohnung und den jeweiligen Schulen bzw. Kindergärten als Betriebsstätten nur i.H.v. 0,30 € je Entfernungskilometer gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG als Betriebsausgaben absetzen.

Durch § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 und 2 EStG sollen jedoch die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte bei der Ermittlung von Gewinneinkünften mit den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei der Ermittlung von Überschusseinkünften gleich behandelt werden. Diese beabsichtigte Gleichbehandlung wird durch die gesetzlich normierte Verweisung auf § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG deutlich. Der hierin zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG zu berücksichtigen. Wenn nach dem Zweck der Vorschrift beim Abzug der dort genannten Fahrtkosten die Gewerbetreibenden und selbständig Tätigen den Arbeitnehmern gleichzustellen sind, dann müssen auch die für die Arbeitnehmer geltenden Ausnahmen der Abzugsbeschränkungen im Falle gleichliegender Sachverhalte bei den Gewerbetreibenden und den selbständig Tätigen grundsätzlich ebenso gelten.

Entscheidend ist daher, ob eine der Tätigkeitsstätten, an denen die Klägerin ständig wechselnd beruflich tätig war, eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den anderen Tätigkeitsorten hatte, so dass diese mit einer nach der neueren Rechtsprechung anzunehmenden (einen) regelmäßigen Arbeitsstätte gleichzusetzen ist. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Soweit sich die Klägerin zu den verschiedenen Unterrichtseinrichtungen begeben hat, kommt keiner dieser Einrichtungen eine besondere zentrale Bedeutung zu, die sich mit einer "regelmäßigen Arbeitsstätte" vergleichen ließe. Die Klägerin ist daher mit einem Arbeitnehmer vergleichbar, der sich zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten begeben muss.

Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug ist es insoweit geboten, die von der Rechtsprechung für den Fahrtkostenabzug von Arbeitnehmern entwickelten Grundsätze auch auf den Regelungsbereich des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG zu übertragen und Fahrtkosten zum uneingeschränkten Betriebsausgabenabzug zuzulassen, soweit sie zwischen Wohnung und ständig wechselnden Beschäftigungsstätten angefallen sind.

Hintergrund:
Auch nach der Änderung des Reisekostenrechts zum 1.1.2014 (Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013) sind die Fahrtkosten zu ständig wechselnden Tätigkeitsorten, wie vom III. Senat entschieden, grundsätzlich unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.

Linkhinweis:

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BFH PM Nr. 12 vom 18.2.2015
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