04.05.2011

Falsche Kilometer-Angaben können als Steuerhinterziehung gewertet werden

Die Angabe überhöhter Entfernungen bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kann als Steuerhinterziehung gewertet werden. Dem Finanzamt kann nicht ohne Weiteres vorgehalten werden, es hätte die Falschangaben bemerken müssen.

FG Rheinland-Pfalz 29.3.2011, 3 K 2635/08
Der Sachverhalt:
Die Klägerin erzielte als kaufmännische Angestellte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie wohnte in A und arbeitete 1996 in C. In der Anlage N zu ihrer Einkommensteuererklärung (EStErkl) 1996 gab sie bei den Werbungskosten hinsichtlich der Wege zwischen A und C an, sie sei über B gefahren, die einfache Entfernung, die sie mit ihrem eigenen Pkw zurückgelegt habe, habe 28 km betragen. In den Anlagen N zu den EStErkl 1997 bis 2005 gab die Klägerin jeweils als Arbeitsort B und als einfache Entfernung ebenfalls jeweils 28 km an.

Diesen Angaben wurde seitens des Finanzamts in allen Einkommensteuerbescheiden 1996 bis 2005 gefolgt. Bei der Bearbeitung der EStErkl 2006 fiel dem Bearbeiter des Finanzamts auf, dass die von der Klägerin angegebene Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 28 km zu hoch angegeben war, die einfache Entfernung zwischen A und B betrug nur 10 km. Das führte dazu, dass das Finanzamt geänderte Einkommensteuer-Bescheide 1996 bis 2005 auf der Basis von jeweils 10 km Entfernung - mit entsprechenden Steuernachforderungen - erließ. Da vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung auszugehen sei, gelte eine 10-jährige Verjährungsfrist, woraus folge, dass die Bescheide ab 1996 wegen Vorliegens neuer Tatsachen geändert werden dürften.

Die Klägerin hat u.a. vorgetragen, sie sei irrtümlich davon ausgegangen, dass die Entfernungskilometer den tatsächlich gefahrenen Kilometern entsprochen hätten. In dieser Meinung sei sie durch die seit 1996 jährlich erklärungsgemäß erfolgten Veranlagungen bestärkt worden. Dem Finanzamt seien keine neuen Tatsachen nachträglich bekannt geworden. Bei Erfüllung seiner Sachaufklärungspflicht hätte diesem auffallen müssen, dass die in den EStErkl enthaltenen Angaben zu Wohnung und Arbeitsstätte einerseits und der Entfernung andererseits in einem offensichtlichen Widerspruch standen.

Das FG gab der Klage nur in ganz geringem Umfang statt, unter Klageabweisung im Übrigen. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Für 1996 konnten die subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung nicht angenommen werden. Es ist denkbar, dass die Klägerin die Eintragung der Wegstrecke von A nach C über B und die Angabe "28 km" in der Annahme, die Entfernungskilometer entsprächen den tatsächlich gefahrenen Kilometern, lediglich versehentlich vorgenommen hat.

Für die anderen Streitjahre (1997 - 2005) musste jedoch vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung ausgegangen werden, weil sich der Arbeitsplatz ab 1997 in dem der Wohnung näher gelegenen B befand, die Klägerin aber gleichwohl - wie 1996 - die weitere Fahrtstrecke von 28 km angegeben hat. Der Klägerin muss es auch unter Zugrundelegung einer laienhaften Bewertung für möglich gehalten haben, dass sie mit den falschen Angaben einen höheren als den ihr zustehenden Werbungskostenabzug erreichte.

Dem Finanzamt sind auch neue Tatsachen, nämlich die geringere Entfernung von A nach B, nachträglich bekannt geworden. Im Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Einkommensteuer-Bescheide war ihm nämlich nicht bekannt, dass die zutreffende Entfernung nur 10 km beträgt. Das wurde erst im Rahmen der Veranlagung für 2006 seitens eines ortskundigen Mitarbeiters des Finanzamts bekannt. Die unzutreffenden Angaben der Klägerin waren weder widersprüchlich noch zweifelhaft, sondern eindeutig; es bestand kein Anlass, den Angaben der Klägerin von vorneherein mit Misstrauen zu begegnen.

Hinzu kommt, dass Veranlagungsarbeiten von immer wieder wechselnden Bearbeitern erledigt werden, die nicht in jedem Fall über hinreichende Ortskenntnisse verfügen. Eine Änderung eines Bescheides kann zwar nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben, was hier gerade nicht der Fall war.

FG Rheinland-Pfalz PM vom 3.5.2011
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