06.06.2012

Finanzierung betrieblicher Investitionen ist auch bei Zahlung über ein Kontokorrentkonto begünstigt

Es wird unwiderlegbar vermutet, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungskosten oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, kann der Unternehmer den Zusammenhang zwischen Auszahlung und Bezahlung im Einzelfall nachweisen.

BFH 23.2.2012, IV R 19/08
Der Sachverhalt:
Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin (einer KG) in den Jahren 2001 und 2002 bei einer Sparkasse drei Darlehen über insgesamt 355.000 € aufgenommen hatte. Die für die Darlehen im Streitjahr 2002 aufgewendeten Schuldzinsen waren als Betriebsausgaben verbucht worden. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Darlehen nicht als nach § 4 Abs. 4a S. 5 EStG begünstigte Investitionsdarlehen zu behandeln seien, da der von der Verwaltung geforderte enge zeitliche und betragsmäßige Zusammenhang mit Investitionen in Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht festgestellt werden könne.

Die Darlehensmittel seien auf das Kontokorrentkonto bei der Sparkasse ausgezahlt und für laufende Betriebsmittel verbraucht worden. Die nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen ermittelte der Prüfer unter Berücksichtigung aller Über- und Unterentnahmen in den Jahren 1999 bis 2002 für das Streitjahr 2002 mit 12.903 € und rechnete sie nach § 4 Abs. 4a EStG dem Gewinn hinzu, so dass sich für das Streitjahr 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. rund 259.779 € ergaben.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Klägerin rügte daraufhin eine Verletzung des § 4 Abs. 4a S. 5 EStG. Sie war der Ansicht, dass es sich bei den Darlehen um zweckgebundene Darlehen handele. Diese seien zur Schaffung von Voll- und Teilzeitarbeitsplätzen sowie für die Anschaffung diverser Maschinen und Geräte gewährt worden. Gerade die für die Schaffung von Arbeitsplätzen zwangsläufig erforderlichen Investitionen könnten nicht innerhalb der vorgegebenen 30-Tage-Frist erfolgen.

Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichten keine Prüfung, ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin entstandene Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a S. 5 EStG privilegiert sind.

Der Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben wird durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt, wenn der Unternehmer mehr aus dem Betriebsvermögen entnommen hat, als dem Betrieb zuvor durch Einlagen und Gewinne zugeführt worden ist (sog. Überentnahmen). Ausgenommen von dieser Abzugsbeschränkung sind nur Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Investitionsdarlehen).

Im vorliegenden Fall wurden die Darlehensmittel nicht auf ein gesondertes Konto, auf das bis zu ihrem vollständigen Verbrauch keine weiteren Zahlungseingänge erfolgt sind, sondern auf das Kontokorrentkonto der Klägerin bei der Sparkasse überwiesen. Werden Darlehensmittel auf ein betriebliches Kontokorrentkonto überwiesen, von dem in der Folgezeit nicht nur die Anlagegüter, sondern auch sonstige (betriebliche und private) Aufwendungen bezahlt werden, stellt sich die Frage, inwieweit die Darlehensmittel tatsächlich gerade zur Anschaffung der Anlagegüter verwendet wurden. Denn nur die dafür entstandenen Schuldzinsen sind unbeschränkt abziehbar.

In Anlehnung an die Handhabung der Finanzverwaltung kann unterstellt werden, dass die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto bezahlten Investitionen mit den aufgenommenen Darlehen finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, kann der Unternehmer den Zusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der Wirtschaftsgüter im Einzelfall nachweisen. Darüber hinaus sind auch Kontokorrentzinsen, die durch die Finanzierung von Anlagevermögen entstehen, unbegrenzt abziehbar. Die Aufnahme eines gesonderten Darlehens ist - abweichend von der Handhabung der Finanzverwaltung - nicht erforderlich.

Das FG hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin innerhalb der Frist von 30 Tagen vor bzw. nach Auszahlung der jeweiligen Darlehensmittel auf das Kontokorrentkonto bei der Sparkasse von diesem Konto Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bezahlt hat. Darüber hinaus muss das FG ermitteln, ob und ggf. in welchem Umfang durch die Finanzierung von Anlagevermögen über Kontokorrentkonten Kontokorrentzinsen entstanden sind, die unbeschränkt nach § 4 Abs. 4a S. 5 EStG abgezogen werden können.

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BFH PM Nr. 39 vom 6.6.2012
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