08.06.2011

Gemeinden können bei Marktplatzsanierungen zum Vorsteuerabzug berechtigt sein

Gemeinden sind aus den Kosten der Sanierung eines als öffentliche Straße gewidmeten Marktplatzes zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt. Die Vorsteueraufteilung kann etwa nach der Anzahl der Markttage im Kalenderjahr erfolgen. Die Entscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand.

BFH 3.3.2011, V R 23/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gemeinde. Sie betrieb und organisierte im Streitjahr 1999 auf ihrem als öffentliche Straße gewidmeten und insoweit hoheitlich genutzten Marktplatz Wochenmärkte. Sie ging davon aus, dass sie mit ihrem Marktbetrieb und der damit verbundenen entgeltlichen Überlassung von Marktstandplätzen an Händler, mit der Lieferung von Energie für die Marktstände und mit der Reinigung der Standplätze unternehmerisch tätig geworden sei. Schließlich erteilte die Klägerin den Händlern Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer und vereinnahmte Entgelte. In ihrer für das Streitjahr eingereichten Umsatzsteuererklärung machte sie zudem den Vorsteuerabzug für Sanierungsarbeiten am Marktplatz geltend.

Das Finanzamt versagte allerdings den Vorsteuerabzug aus den Sanierungskosten und erließ einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es stützte die Klageabweisung darauf, dass die Klägerin mit der Überlassung der Standplätze zwar unternehmerisch i.S.v. § 2 Abs. 3 UStG tätig geworden sei. Sie sei jedoch gleichwohl nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da sie die Sanierungsleistungen hoheitlich als Straßenbaulastträger bezogen habe.

Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Klägerin ist entgegen der Entscheidung der Vorinstanz trotz der ansonsten hoheitlichen Nutzung für den Gemeingebrauch aufgrund der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung der Standflächen zum anteiligen Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Sanierung des Marktplatzes berechtigt.

Die Klägerin war mit der Standplatzüberlassung beim Marktbetrieb als Unternehmer tätig. Sie hat mit der Überlassung von Standflächen eine wirtschaftliche Tätigkeit nachhaltig und gegen Entgelt ausgeübt, die sich aufgrund der Höhe der dabei vereinnahmten Entgelte aus ihrer Gesamtbetätigung heraushob. Aufgrund der gemischten Nutzung des sanierten Marktplatzes für Hoheitszwecke und für Zwecke einer steuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeit war die Klägerin insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als sie den Marktplatz unmittelbar für Zwecke dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zu verwenden beabsichtigte.

Schließlich hat die Klägerin den Marktplatz nicht nur als Straßenbaulastträger im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit unterhalten, sondern auch als Unternehmer für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt. Die Leistungen für die Sanierung des Marktplatzes dienten somit sowohl ihrer nichtwirtschaftlichen wie auch ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Da es sich bei der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit um eine Verwendung für Hoheitszwecke, nicht aber um eine Verwendung für eine Privatentnahme i.S.v. § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG (Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) handelte, ist sie nur zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

Im weiteren Verfahren wird das FG berücksichtigen müssen, dass nach dem EuGH-Urteil "Securenta" die Festlegung der Methoden und Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im Ermessen der Mitgliedstaaten steht. Es besteht insoweit allerdings eine Regelungslücke, die mangels gesetzlicher Regelung in analoger Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG zu schließen ist. Infolgedessen kann der Unternehmer den abzugsfähigen Vorsteueranteil im Wege einer sachgerechten und von der Finanzverwaltung zu überprüfenden Schätzung zu ermitteln. Dies könnte etwa nach der Anzahl der Nutzungstage des Marktplatzes für den Marktbetrieb im Kalenderjahr erfolgen.

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BFH PM Nr. 45 vom 8.6.2011
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