14.07.2022

Gewerbesteuerrechtliche Nichterfassung des Veräußerungsgewinns einer GmbH & Co. KG anlässlich des Übergangs zu einer neuen Tätigkeit

1. Ob der anlässlich des Übergangs zu einer neuen Tätigkeit erzielte Veräußerungsgewinn einer GmbH & Co. KG nach § 7 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegt, beurteilt sich danach, ob der "bisherige" und der "neue" Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung wirtschaftlich identisch sind. Dies richtet sich nach den gleichen Kriterien, die für die Bestimmung der Unternehmensidentität im Rahmen des § 10a GewStG maßgeblich sind.
2. Die Überführung einer wesentlichen Betriebsgrundlage in den "neuen" Betrieb steht der Einstellung des "bisherigen" Betriebs nicht entgegen. Der Gewinn aus der Veräußerung des bisher originär gewerblichen Geschäftsbereichs einer GmbH & Co. KG ist daher nicht bereits dann dem Gewerbeertrag zuzuordnen, wenn eine wesentliche Betriebsgrundlage in dem neuen vermögensverwaltenden Geschäftsbereich der nunmehr gewerblich geprägten Personengesellschaft fortgeführt wird (Änderung der Rechtsprechung).

Kurzbesprechung
BFH v. 10. 2. 2022 - IV R 6/19

GewStG § 2 Abs 1 S 2, § 7 S 1, § 10a, § 14 S 3
EStG § 15 Abs 3 Nr. 2 S 1, § 16 Abs 1, § 16 Abs 3


Bei natürlichen Personen und Personengesellschaften ist der Gewerbeertrag um solche Bestandteile zu bereinigen, die nicht mit dem Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogenen Sachsteuer übereinstimmen. Zu den danach zu bereinigenden Bestandteilen gehören die Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 3 EStG.

Für die gewerbesteuerrechtliche Nichterfassung von Veräußerungsgewinnen kommt es jedoch ‑‑anders als im Bereich der Einkommensteuer‑‑ nicht notwendigerweise darauf an, dass alle stillen Reserven aufgedeckt werden. Die Nichtberücksichtigung dieser Gewinne hat ihren Grund letztlich darin, dass die Gewerbesteuer nur den durch den laufenden Betrieb anfallenden Gewinn erfasst. Veräußerungsgewinne sind daher ‑‑selbst für den Fall, dass einkommensteuerrechtlich keine begünstigte Veräußerung oder Aufgabe gegeben ist‑‑ bei der Ermittlung des Gewerbeertrags auszuscheiden, wenn die Veräußerung zu einer endgültigen Einstellung der gewerblichen Betätigung des Veräußerers führt.

Eine Einstellung des bisherigen Gewerbebetriebs setzt bei einer Personengesellschaft nicht notwendigerweise voraus, dass ihre persönliche Steuerpflicht (vgl. § 5 GewStG) wegfällt. Eine Personengesellschaft, auch eine gewerblich geprägte i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG, kann ‑‑ebenso wie der Einzelunternehmer‑‑ nacheinander mehrere Betriebe betreiben. Ob der bisherige (werbende) Gewerbebetrieb eingestellt und ein neuer Gewerbebetrieb in Gang gesetzt wird, richtet sich in Abgrenzung zu einer Betriebsverlegung oder Betriebsumstellung danach, ob der "bisherige" und der "neue" Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung wirtschaftlich identisch sind.

Nach geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung steht die Weiternutzung einer wesentlichen Betriebsgrundlage in dem "neuen" Betrieb, insbesondere einer solchen mit erheblichen stillen Reserven, der Einstellung des "bisherigen" Betriebs nicht entgegen. Diese geänderte Auffassung hat der BFH zunächst zur Bestimmung der Unternehmensidentität i.S. des § 10a GewStG und der sachlichen Steuerpflicht vertreten. Nach Ansicht des IV. Senats gelten diese Grundsätze auch für die Frage, ob ein Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer unterliegt.

Gewinne, die der Beendigung der werbenden Tätigkeit zuzuordnen sind, unterliegen nicht der sachlichen Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG. Es muss daher auch in diesen Fällen die konkret ausgeübte werbende Tätigkeit in den Blick genommen werden. Daher kann es auch bei Prüfung der Frage, ob ein Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer unterliegt, nicht allein auf den Umstand ankommen, ob eine wesentliche Betriebsgrundlage in dem "neuen" Betrieb der fortbestehenden Personengesellschaft weiter genutzt wird.

Dies führt auch zu folgerichtigen Ergebnissen. Bei der Weiternutzung wesentlicher Betriebsgrundlagen kann die sachliche Steuerpflicht und damit die Unternehmensidentität wegfallen; bisher nicht genutzte Gewerbeverluste (§ 10a GewStG) gehen dann ersatzlos unter. In einem derartigen Fall muss auch bei der Prüfung der Gewerbesteuerpflicht von Veräußerungsgewinnen vom Ende der sachlichen Steuerpflicht infolge einer Einstellung der werbenden Tätigkeit ausgegangen werden.

Gehen die Gewerbeverluste mangels Unternehmensidentität unter, dürfen die in diesem Zusammenhang erzielten Gewinne nicht mehr der Gewerbesteuer unterliegen. Anderenfalls wären die Veräußerungsgewinne beim Gewerbesteuerschuldner trotz Untergangs des Verlustvortrags gewerbesteuerpflichtig.

Der IV. Senat hält daher nicht mehr an der Rechtsprechung fest, wonach ein Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf eines originär gewerblichen Geschäftsbereichs einer GmbH & Co. KG bereits dann dem Gewerbeertrag zuzuordnen ist, wenn eine wesentliche Betriebsgrundlage in dem neuen vermögensverwaltenden Geschäftsbereich der nunmehr gewerblich geprägten Personengesellschaft fortgeführt wird.

Im Streitfall war die Vorentscheidung aufzuheben und an die Vorinstanz zurück zu verweisen. Das FG hatte seine tatsächlichen Feststellungen und seine tatrichterliche Gesamtwürdigung, wonach der "bisherige" und der "neue" Betrieb wirtschaftlich nicht identisch seien, auf Grundlage einer zwischenzeitlich überholten Rechtsauffassung getroffen. Es war davon ausgegangen, dass eine wirtschaftliche Identität regelmäßig dann gegeben sei, wenn eine wesentliche Betriebsgrundlage, insbesondere ein Wirtschaftsgut mit erheblichen stillen Reserven, ohne Realisierung dieser Reserven in dem neuen Betrieb fortgeführt werde.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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