10.07.2025

Gewerbesteuerrechtliche Zurechnung des Gewinns aus der Anteilsveräußerung bei doppelstöckigen Personengesellschaften

1. Der § 7 Satz 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterfallende Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an der Oberpersonengesellschaft ist nicht auf die stillen Reserven der Oberpersonengesellschaft und die stillen Reserven der Unterpersonengesellschaft aufzuteilen. Es handelt sich vielmehr um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang auf der Ebene der Oberpersonengesellschaft.
2. Der Gewerbeertrag der Oberpersonengesellschaft unterliegt im Hinblick auf den Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der Oberpersonengesellschaft auch insoweit nicht der Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG, als der Veräußerungsgewinn auf stille Reserven der Unterpersonengesellschaft entfällt.
3. § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG ist nicht anwendbar, wenn eine Oberpersonengesellschaft ihren Anteil an der Unterpersonengesellschaft veräußert, deren Gewerbeertrag nach § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG (teilweise) von der Gewerbesteuer befreit ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 8.5.2025 ‑ IV R 40/22

GewStG § 7 Satz 2 Nr. 2, § 9 Nr. 2, § 3 Nr. 20 Buchst. b

1. Gewinn aus Anteilsveräußerung

Aus dem Fiskalzweck der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Sachsteuer folgt, dass Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs bei einem Einzelgewerbetreibenden oder einer Personengesellschaft ‑‑ nicht aber bei einer Kapitalgesellschaft ‑‑ bei der Ermittlung des Gewerbeertrags auszuscheiden sind, wenn damit die endgültige Einstellung der gewerblichen Betätigung verbunden ist.

Lediglich soweit der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer Mitunternehmerschaft, eines Mitunternehmeranteils und des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt, gehört er nach § 7 Satz 2 GewStG zum Gewerbeertrag.

Soweit in den Fällen einer Sacheinlage unter dem gemeinen Wert (§ 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG) der Einbringende die erhaltenen Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt veräußert, ist der Gewinn aus der Einbringung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG rückwirkend im Wirtschaftsjahr der Einbringung als Gewinn des Einbringenden im Sinne von § 16 EStG zu versteuern (Einbringungsgewinn I); § 16 Abs. 4 und § 34 EStG sind nicht anzuwenden. Die Veräußerung der erhaltenen Anteile gilt insoweit als rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (§ 22 Abs. 1 Satz 2 UmwStG).

Einbringungsgewinn I ist der Betrag, um den der gemeine Wert des eingebrachten Betriebsvermögens im Einbringungszeitpunkt nach Abzug der Kosten für den Vermögensübergang den Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft dieses eingebrachte Betriebsvermögen angesetzt hat, übersteigt, vermindert um jeweils ein Siebtel für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr (§ 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG). Dies gilt nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG entsprechend, wenn für den Einbringenden oder die übernehmende Gesellschaft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 4 UmwStG die Voraussetzungen im Sinne von § 1 Abs. 4 UmwStG nicht mehr erfüllt sind.

§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG in der im Streitfall gültigen Fassung vor der Änderung durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.6.2021 (BGBl I 2021, 2050; vgl. § 27 Abs. 18 UmwStG) sieht vor, dass § 1 Abs. 3 UmwStG (und damit der Sechste bis Achte Teil des Umwandlungssteuergesetzes) nur gilt, wenn in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 UmwStG bei der Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge der einbringende Rechtsträger
  • eine Gesellschaft im Sinne von § 1 Abs.2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist und, wenn es sich um eine Personengesellschaft handelt, soweit an dieser Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen oder natürliche Personen unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt sind, die die Voraussetzungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwStG erfüllen oder
  • Gewerbesteuerrechtlich gehört der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG zum Gewerbeertrag, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt. Letzteres war im Streitfall nicht gegeben.  Da der Einbringungsgewinn I rückwirkend im Wirtschaftsjahr der Einbringung entsteht (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 1 Satz 2 UmwStG), hatte das FG für die Anwendung des §7 Satz 2 Nr. 2 GewStG zu Recht auf den Zeitpunkt der Einbringung und die Beteiligung der einbringenden Stiftung abgestellt. Denn der Einbringungsgewinn I ist gewerbesteuerrechtlich den Rechtsregeln zu unterwerfen, die für eine Gewinnrealisierung im Zeitpunkt der Einbringung zum Tragen gekommen wären. Maßgebend ist, ob der Einbringungsgewinn mit Rücksicht auf die ursprüngliche Beteiligung der Gewerbesteuer unterlegen hätte. Rechtlich kommt es mithin allein auf die Besteuerung des Einbringungsvorgangs an.


Vor diesem Hintergrund konnte der BFH die (höchstrichterlich noch nicht geklärte) Rechtsfrage, ob § 22 Abs. 6 UmwStG dahin auszulegen ist, dass im Falle einer unentgeltlichen Rechtsnachfolge ein durch den Rechtsnachfolger ausgelöster Einbringungsgewinn I fiktiv als Gewinn des Rechtsnachfolgers statt als Gewinn des ursprünglich Einbringenden gilt, offen lassen.

Das FG war auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Einbringungsgewinn I nicht (auch nicht teilweise) zum Gewerbeertrag der Untergesellschaften gehört. Der BFH folgte der vom FG vertretenen Auffassung, dass es sich um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang (und nicht um mehrere Veräußerungen) handelt und keine "Durchstockung" des Veräußerungsgewinns erfolgt. Vor diesem Hintergrund hatten FA und FG den Einbringungsgewinn I zu Recht in voller Höhe dem Gewerbeertrag hinzugerechnet.

2. Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG

Der Gewerbeertrag war auch nicht nach § 9 Nr. 2 GewStG zu kürzen. Denn der im Gewerbeertrag der Obergesellschaft zu erfassende Anteilsveräußerungsgewinn im Sinne des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG unterliegt nicht (auch nicht teilweise) der Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG. Dies folgt schon daraus, dass der Veräußerungsgewinn originär auf der Ebene der Obergesellschaft entstanden ist und im Gewerbeertrag der Untergesellschaften) nicht erfasst wird. § 9 Nr. 2 GewStG kann insoweit nur auf der Ebene der Mitunternehmer der Obergesellschaft Anwendung finden.

3. Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG

Letztlich war der Gewerbeertrag der Obergesellschaft auch nicht nach § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG (teilweise) von der Gewerbesteuer befreit ist. Denn von der Gewerbesteuer wird nicht der Träger des in § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG genannten Krankenhauses mit seinem gesamten Gewerbeertrag befreit; begünstigt werden vielmehr die aus dem Betrieb des Krankenhauses resultierenden Erträge. Soweit der Träger des Krankenhauses außerhalb dieses Betriebs Erträge erzielt, unterliegen diese der Gewerbesteuer.

Im Streitfall hatte die Obergesellschaft selbst keine Krankenhäuser im Sinne des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG betrieben. Die Steuerbefreiung lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass die Tochtergesellschaften von § 3 Nr. 20 Bucht b GewStG begünstigt waren, da es an einer mit der Betriebsaufspaltung vergleichbaren (engen) personellen und sachlichen Verflechtung sowie an einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen mangelt.

Hinweis: Insoweit entsprechend gleichlautend BFH v. 8.5.2025 - IV R 9/23.

Verlag Dr. Otto Schmidt