11.11.2019

Gewerbliche Einkünfte beim Betrieb therapeutischer Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe

Die Erziehung ist ein permanenter, zumindest aber langwieriger Prozess und ist auf den Erziehenden nur dann rückführbar, wenn er nachhaltig aktiv daran teilnimmt, indem er einen Teil der pädagogischen Arbeit unmittelbar übernimmt. Der Senat misst insbesondere der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, welche konkreten Anforderungen an das Merkmal des eigenverantwortlichen Tätigwerdens bei der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bei einer erzieherischen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu stellen sind.

FG Köln v. 23.5.2019 - 1 K 1430/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Diplom-Sozialarbeiter und betreibt eine therapeutische Einrichtung. Er beschäftigt mehrere Fachkräfte, u.a. sozialpädagogische Fachkräfte und Psychologen. Die Einrichtung ist durchschnittlich mit 65 Heimplätzen in der Gruppenarbeit, 8 in sozialpädagogischen Lebensgemeinschaften und 5 im betreuten Wohnen belegt. Die Betreuung erfolgt in der Regel in Wohngruppen in verschiedenen Häusern. Die Kinder und Jugendlichen besuchen daneben öffentliche Schulen.

Der Kläger selbst betreut keine der Gruppen unmittelbar. Er ermittelt seinen Gewinn aus dem Betrieb des Heimes durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG). In der Einkommensteuererklärung der Streitjahre 2010 bis 2012 erklärte er den Gewinn als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 2014 kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Klägers als eine gewerbliche Tätigkeit anzusehen sei. Der Kläger machte hingegen geltend, dass seine Tätigkeit eine freiberufliche Tätigkeit sei und daher keine Gewerbesteuer festzusetzen sei.

Das FG wies die Klage gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Der Betrieb des Kinder- und Jugendheims ist ein gewerbliches Unternehmen i.S.d. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG und unterliegt gem. § 2 Abs. 1 GewStG der Gewerbesteuer.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Tätigkeit nicht als Ausübung eines freien Berufs anzusehen, so dass die hieraus erzielten Einkünfte, da es sich auch nicht um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft oder um eine andere selbständige Tätigkeit handelt, solche aus Gewerbebetrieb sind. Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 EStG gehört zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit u.a. die selbständig ausgeübte erzieherische Tätigkeit. Allerdings ist nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 2. Halbsatz EStG ein Angehöriger eines freien Berufs, der sich - wie der Kläger - der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, nur dann freiberuflich tätig, wenn er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.

Zwar ist die Einrichtung des Klägers erzieherisch tätig. Er selbst wird jedoch nicht eigenverantwortlich tätig. Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit liegt nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrages muss ihm selbst und nicht qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als Ganzem zuzurechnen sein. Die Arbeitsleistung muss den "Stempel der Persönlichkeit" des betreffenden Berufsträgers tragen.

Der BFH hat in seiner Rechtsprechung diese Grundsätze für einzelne Berufs- und Tätigkeitsgruppen, bislang noch nicht für die erzieherische Tätigkeit konkretisiert. Der Senat hält es für notwendig, die in der Rechtsprechung bislang nur vereinzelt dargestellten Anforderungen an die Eigenverantwortlichkeit bei einer erzieherischen Tätigkeit weiter zu konkretisieren. Denn eine erzieherische Tätigkeit führt im Unterschied zu anderen freiberuflichen Tätigkeiten nicht bloß zur Erbringung einer geschuldeten Leistung, die auch durch Mitarbeiter ausgeführt werden kann und die durch die Organisation seines Unternehmens den Stempel der Persönlichkeit des Betriebsinhabers trägt bzw. der er sein Gepräge geben muss.

Die erzieherische Tätigkeit ist nach der benannten Definition die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen. Diese Tätigkeit kann durch den Betriebsinhaber nach der Überzeugung des Senats nur dann geprägt werden, wenn er auch einen aktiven Anteil daran hat und nicht nur organisatorisch sicherstellt, dass sein Erziehungskonzept durchgeführt wird. Denn die Erziehung ist ein permanenter, zumindest aber langwieriger Prozess und ist auf den Erziehenden nur dann rückführbar, wenn er nachhaltig aktiv daran teilnimmt, indem er einen Teil der pädagogischen Arbeit unmittelbar übernimmt. Nur so kann er überprüfen und sicherstellen, dass die jungen Menschen tatsächlich in seinem Sinne körperlich, geistig und charakterlich geformt werden. Danach ist die vom Kinder- und Jugendheim durchgeführte erzieherische Tätigkeit nicht ausreichend aktiv durch den Kläger geprägt.

Allerdings wurde die Revision zugelassen. Denn der Senat misst insbesondere der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, welche konkreten Anforderungen an das Merkmal des eigenverantwortlichen Tätigwerdens (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) bei der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bei einer erzieherischen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu stellen sind.

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