23.11.2020

Gewinnermittlung nach der Tonnage: Liquidation einer Ein-Schiff-Gesellschaft als Hilfsgeschäft

Bei einer Ein-Schiff-Gesellschaft sind die nach Veräußerung des Schiffes auf Liquidation ihres Geschäftsbetriebs gerichteten Maßnahmen jedenfalls dann als Hilfsgeschäfte i.S.d. § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG zu qualifizieren, wenn der Liquidationsbeschluss im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung des Schiffes gefasst und während der Liquidationsphase keine andere Investitionsentscheidung getroffen wird.

BFH v. 16.7.2020 - IV R 3/18
Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH & Co. KG in Liquidation betrieb ein Seeschiff. Sie optierte mit Wirkung zum 1.1.1999 zur Ermittlung des Gewinns nach der Tonnage gem. § 5a EStG. In der Gesellschafter- und Treugeberversammlung vom 11.4.2005 wurde der Beschluss gefasst, das Schiff zu verkaufen und die Klägerin zu liquidieren. Das Schiff wurde am 15.6.2005 verkauft; die Kaufpreiszahlung erfolgte nach Übergabe des Schiffes am 15.7.2005.

Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn für das Streitjahr 2005 nach § 5a EStG unter Einbeziehung der sich aus der Veräußerung des Schiffes ergebenden Einkünfte. Für die Streitjahre 2006 und 2007 ermittelte die Klägerin ihren Gewinn hingegen durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG). Eine Gewinnermittlung nach der Tonnage sei nur solange möglich, wie der Steuerpflichtige ein Handelsschiff betreibe. Außerdem sei die an B gezahlte Liquidationsgebühr erst im Jahr 2006 zu erfassen, weil die Ausschüttung an die Kommanditisten erst im August 2006 abgeschlossen worden sei. Das Finanzamt schloss sich dieser Ansicht nicht an.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Nach § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG ist an Stelle der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG bei einem Gewerbebetrieb mit Geschäftsleitung im Inland der Gewinn, soweit er auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfällt, auf unwiderruflichen Antrag des Steuerpflichtigen nach der in seinem Betrieb geführten Tonnage zu ermitteln, wenn die Bereederung dieser Handelsschiffe im Inland durchgeführt wird. Der Steuerpflichtige ist an die Gewinnermittlung nach Abs. 1 vom Beginn des Wirtschaftsjahres an, in dem er den Antrag stellt, zehn Jahre gebunden (§ 5a Abs. 3 Satz 7 EStG). Bei Gesellschaften i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG tritt für die Zwecke dieser Vorschrift an die Stelle des Steuerpflichtigen die Gesellschaft (§ 5a Abs. 4a Satz 1 EStG).

Im Streitfall hat die Klägerin zunächst mit Wirkung ab dem 1.1.1999 wirksam zur Gewinnermittlung nach der Tonnage nach § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG optiert. Das Streitjahr 2006 befand sich daher noch innerhalb des zehnjährigen Bindungszeitraums. Allein dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, dass die Klägerin im Jahr 2006 weiterhin ihren Gewinn nach der Tonnage ermitteln musste. Denn mit dem Wegfall einer der in § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EStG genannten Voraussetzungen scheidet der Steuerpflichtige oder die Gesellschaft - jedenfalls im Grundsatz - aus der Gewinnermittlung nach der Tonnage aus. Der im Gewinnfeststellungsbescheid festgestellte pauschale Tonnagegewinn kann daher auch nach wirksamer Ausübung der Option innerhalb des zehnjährigen Bindungszeitraums mit dem Einwand angegriffen werden, die Voraussetzungen für die Ermittlung des Gewinns nach der Tonnage seien entfallen.

Die Klägerin macht aber zu Unrecht geltend, dass bereits mit der Veräußerung ihres einzigen Schiffes im Jahr 2005 die Voraussetzungen nach § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG (zwangsläufig) nicht mehr gegeben seien. Denn sie erzielte im Streitjahr 2006 mit der von ihr ausgeübten (Liquidations-)Tätigkeit aus Hilfsgeschäften i.S.d. § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG weiterhin Einkünfte i.S.d. § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG, die auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfielen. Entsprechend musste auch der Gewinn für das Streitjahr 2006 noch nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelt werden.

Aus dem Fehlen einer Vorschrift, die für die Zeit nach Veräußerung des Schiffes - vergleichbar dem § 5a Abs. 3 Satz 2 EStG für die Zeit vor Indienststellung des Schiffes - ausdrücklich die Anwendung des § 5a Abs. 1 EStG anordnet, lässt sich nicht ableiten, dass nach der Veräußerung des einzigen Schiffes § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht mehr anwendbar ist. Auch wenn die Ausübung der Rückoption nach § 5a Abs. 3 Satz 8 EStG nach Ablauf der Zehnjahresfrist (stillschweigend) das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5a Abs. 1 Satz 1 EStG voraussetzt, lässt sich hieraus nicht ableiten, dass mit der Veräußerung des Schiffes die Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG unzulässig wird. Denn die Voraussetzungen des § 5a Abs. 1 EStG können auch noch nach Veräußerung des einzigen Schiffes gegeben sein.
BFH online
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