08.09.2022

Haftung der Organgesellschaft für nach Beendigung der Organschaft entstandene Steuern

Die Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers gem. § 73 AO beschränkt sich nicht notwendig auf solche Steuern, die während der Dauer des Organschaftsverhältnisses entstanden sind. Die Organgesellschaft kann in dem Umfang haften, in dem der Organträger die Umsätze der Organgesellschaft zu versteuern hat und Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über Leistungsbezüge der Organgesellschaft abziehen kann.

Kurzbesprechung
BFH v. 5. 4. 2022 - VII R 18/21

AO § 73
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG § 17


Streitig war, ob eine ehemalige Organgesellschaft nach § 73 AO auch für die während des Bestehens der Organschaft steuerrechtlich noch nicht entstandene Umsatzsteuer in Haftung genommen werden kann.

Gem. § 73 Satz 1 AO haftet eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Ob eine Organschaft in diesem Sinne steuerlich von Bedeutung ist, richtet sich im Falle der umsatzsteuerlichen Organschaft nach den Bestimmungen des UStG.

Grundsätzlich werden damit jegliche Umsätze der Organgesellschaft einschließlich der Verwirklichung der Entnahmetatbestände und der übrigen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 UStG dem Organträger zugerechnet. Dieser ist Schuldner der auf diese Umsätze entfallenden Umsatzsteuer. Er hat alle Pflichten zu erfüllen, die sich aus § 18 UStG für den Unternehmer ergeben. Er allein gibt Voranmeldungen und Jahreserklärungen für den gesamten Organkreis ab. Die Organgesellschaft hat grundsätzlich keine Steuererklärungspflicht.

Im vorläufigen Insolvenzverfahren endet die Organschaft wegen Wegfalls der organisatorischen Eingliederung nicht nur dann, wenn ein "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, sondern auch dann, wenn ein schwacher Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO für die Organgesellschaft bestellt wird.

Steuern des Organträgers, "für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist", liegen demzufolge nach Wortlaut und Systematik von § 73 AO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 Sätze 1 und 3, § 18 UStG grundsätzlich dann vor, wenn der Organträger die Umsätze der Organgesellschaft zu versteuern hat und Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über Leistungsbezüge der Organgesellschaft abziehen kann. Für diese Steuern haftet folglich die Organgesellschaft nach § 73 AO.

Der BFH folgt damit nicht der im Schrifttum ‑‑ohne nähere Begründung‑‑ vertretenen Auffassung, dass die Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers nur solche Steuern umfasst, die während der Dauer des Organschaftsverhältnisses entstanden sind.

Im Streitfall konnte der BFH nicht abschließend entscheiden, in welcher Höhe die GmbH als ehemalige Organgesellschaft nach § 73 Satz 1 AO haftet. Denn das FG hatte ‑‑ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt zutreffend‑‑ keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für März 2014 Steuern des Organkreises und nicht originäre Steuern der ehemaligen Organträgerin enthält.

Im zweiten Rechtsgang muss das FG nun Feststellungen dazu treffen, in welcher Höhe die Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum März 2014 den Organkreis betrifft. Soweit Lieferungen und sonstige Leistungen während des Bestehens der umsatzsteuerlichen Organschaft ausgeführt worden sind, kommt eine Haftung der Organgesellschaft in Betracht. Auch soweit die Berichtigung von Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer nach § 17 UStG erfolgen muss, kommt es darauf an, wann die Tatbestandsvoraussetzungen dafür vorgelegen haben.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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