28.04.2022

Haftung für pauschalierte Lohnsteuer

Die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten begründet regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH. Das gilt auch im Fall der nachträglichen Pauschalierung der Lohnsteuer. Bei der pauschalierten Lohnsteuer handelt es sich nicht um eine Unternehmenssteuer eigener Art, sondern um die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer.

Kurzbesprechung
BFH v. 14. 12. 2021 - VII R 32/20

AO § 34 Abs 1, § 69, § 191
EStG § 40


Gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften die gesetzlichen Vertreter einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Danach trifft den Geschäftsführer einer GmbH die Pflicht, für eine fristgerechte Anmeldung und Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer zu sorgen (§ 41a Abs. 1 EStG).

Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige ihre Pflichten zum einen dadurch verletzt, dass sie die für die Monate Dezember 2017 und Januar 2018 angemeldete Lohnsteuer nicht bzw. nicht vollständig abgeführt hat. Zum anderen hatte sie die mit Nachforderungsbescheid für die Monate September 2014 bis Juni 2017 festgesetzte Lohnsteuer (und die Nebenleistungen) weder korrekt angemeldet noch gezahlt. Diese Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer beruht auf einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung der Pflichten der Steuerpflichtigen als Geschäftsführerin.

Denn die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten stellt regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar. Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ändern weder etwas an der Pflichtenstellung des GmbH-Geschäftsführers noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH aus.

Reichen die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne (einschließlich des in ihnen enthaltenen Steueranteils) nicht aus, so darf der Geschäftsführer die Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und muss aus den dadurch übrig bleibenden Mitteln die auf die gekürzten (Netto-)Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen.

Dabei kam es im Streitfall nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt der pauschalierten Lohnsteuer laut Nachforderungsbescheid an, sondern auf die Pflichtverletzung durch Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer zu den gesetzlich vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkten. An der bislang vertretenen Rechtsauffassung, dass sich die Pflichtverletzung und das Verschulden des Haftungsschuldners nach § 69 Satz 1 AO im Falle der Lohnsteuerpauschalierung nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der durch den Pauschalierungs-(Nachforderungs-)Bescheid festgesetzten pauschalen Lohnsteuer bestimmt und nicht ‑‑wie in den Fällen der Haftung des Geschäftsführers für die individuelle Lohnsteuer‑‑ nach dem in § 41a Abs. 1 EStG geregelten Zeitpunkt der Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer, hält der BFH nicht mehr fest.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist zwar generell davon auszugehen, dass der Geschäftsführer einer GmbH dann nicht schuldhaft handelt, wenn er die Sachkunde eines ihm als zuverlässig bekannten ‑‑und als Angehöriger eines rechtsberatenden oder steuerberatenden Berufs befugten‑‑ steuerlichen Beraters in Anspruch nimmt, sich auf diesen verlässt und bei gewissenhafter Ausübung seiner Überwachungspflichten keinen Anlass hat, die steuerliche Korrektheit der Arbeit des steuerlichen Beraters in Frage zu stellen.

Allerdings darf der Geschäftsführer nicht blind auf die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung durch den Dritten vertrauen und auf eine Überwachung gänzlich verzichten. Vielmehr muss er sich fortlaufend über den Geschäftsgang unterrichten, so dass ihm Unregelmäßigkeiten nicht über einen längeren Zeitraum verborgen bleiben können. Schließlich kann eine konkrete Anfrage und eine entsprechende Antwort allenfalls dann einen Entschuldigungsgrund darstellen, wenn der Rechtsanwalt bzw. Steuerberater über den Sachverhalt vollständig und zutreffend in Kenntnis gesetzt wurde und daraufhin die unmissverständliche Auskunft erteilt hat, dass steuerliche Pflichten im Hinblick auf die in Frage stehenden Steuern nicht zu erfüllen seien.

Bezüglich der konkreten Umstände, welche der pauschalierten Lohnsteuer zugrunde liegen, hat die Steuerpflichtige im Streitfall lediglich vorgetragen, dass sie in Lohnsteuerfragen durch eine Steuerberatungsgesellschaft betreut worden sei und erst infolge der Außenprüfung erfahren habe, dass Zahlungen in dieser Höhe anfallen. Allein die Betreuung durch einen fachkundigen Dritten entlastet die Steuerpflichtige jedoch nicht. Sie hatte bereits nicht vorgetragen, ob der Steuerberater von dem maßgeblichen Sachverhalt (private Kfz-Nutzung durch die Steuerpflichtige, Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen an Arbeitnehmer) Kenntnis hatte und demzufolge überhaupt in der Lage war, diesen Sachverhalt steuerrechtlich zu würdigen.

Schließlich führte auch der Hinweis der Steuerpflichtigen auf § 15b InsO i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vom 22.12.2020 (BGBl I 2020, 3256) zu keinem anderen Ergebnis.

Nach § 15b Abs. 8 InsO liegt eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten nicht vor, wenn zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO oder der Überschuldung nach § 19 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern die Antragspflichtigen ihren Verpflichtungen nach § 15a InsO (Insolvenzantragspflicht) nachkommen. Zwar war die Lohnsteuer für Dezember 2017 und Januar 2018 nach Stellung des Insolvenzantrags (und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) fällig, die Neuregelung gilt nach Art. 25 SanInsFoG jedoch erst ab dem 01.01.2021.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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