20.10.2011

Innergemeinschaftliche Lieferung: Angabe eines unzutreffenden Bestimmungsorts kann unschädlich sein

Bei einem Reihengeschäft mit zwei Lieferungen und drei Beteiligten ist die erste Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung auch dann gem. § 6a UStG steuerfrei, wenn der erste Abnehmer einem Beauftragten eine Vollmacht zur Abholung und Beförderung des gelieferten Gegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet erteilt, die Kosten für die Beförderung aber vom zweiten Abnehmer getragen werden. Nach EuGH-Rechtsprechung kommt es auf die "Verpflichtung" und die "Absichtsbekundung" an, den Gegenstand unter Verwendung einer nicht vom Liefermitgliedstaat erteilten USt-Id-Nr. in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern.

BFH 11.8.2011, V R 3/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin handelt mit Autos. Im Streitjahr 2006 veräußerte sie einen PKW an ein spanisches Unternehmen (S.). Dem lagen eine per Telefax übermittelte Bestellung, eine Bestätigung des Bundeszentralamts für Steuern über die Gültigkeit einer der S. erteilten USt-Id-Nr. zugrunde, sowie eine von der Klägerin an die S. adressierte Rechnung ohne Ausweis von Umsatzsteuer, aber mit dem Hinweis auf das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung. Das Fahrzeug wurde von einem französischen Fahrer abgeholt. Dieser übergab der Klägerin eine eidesstattliche Versicherung über den Empfang und die Beförderung nach Spanien sowie eine schriftliche Abholvollmacht, die S. auf ihn ausgestellt hatte. Die Klägerin fertigte eine Kopie des Personalausweises des Fahrers an, aus der sich auch dessen Wohnort ergab.

Die Klägerin ging in ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung von einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 4 Nr. 1b UStG i.V.m. § 6a UStG aus. Das Finanzamt erklärte aufgrund einer Auskunft der spanischen Finanzverwaltung, dass die Lieferung des PKW steuerpflichtig sei. Danach sei der Transport nicht von S., sondern von einem ihrer französischen Kunden veranlasst worden. Der PKW sei direkt nach Frankreich verbracht worden. Infolgedessen sei die Lieferung als steuerpflichtige "ruhende" Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäfts anzusehen.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Zwar erfülle die Lieferung nicht die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 6a Abs. 1 UStG, die Klägerin könne sich jedoch auf den Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG berufen. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die Klägerin hatte eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt, die aber entgegen dem FG-Urteil bereits nach § 6a Abs. 1 S. 1 UStG steuerfrei war, so dass es auf die Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz nicht ankam.

Aufgrund der von S. dem französischen Fahrer erteilten Vollmacht war von einer Versendung durch S. in das übrige Gemeinschaftsgebiet auszugehen, so dass entsprechend § 6a Abs. 1 S. 1 UStG eine Versendung durch den Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferung vorlag, und die Klägerin für diese Lieferung die Steuerfreiheit nach dieser Vorschrift in Anspruch nehmen konnte.

Insofern lagen mehrere Lieferungen über einen Gegenstand vor, da das Fahrzeug von der Klägerin an S. sowie von dieser an deren französischen Abnehmer geliefert wurde. Da S. als erster Abnehmer gegenüber der Klägerin erklärt hatte, sie werde den Gegenstand der Lieferung nach Spanien und damit in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat befördern, sie unter ihrer spanischen USt-Id-Nr. handelte, und ein von ihr Beauftragter das Auto abgeholt hatte, war die Lieferung der Klägerin an S. die Versendungslieferung und damit die innergemeinschaftliche Lieferung. Nach der EuGH-Rechtsprechung kommt es insoweit auf die "Verpflichtung" und die "Absichtsbekundung" an, den Gegenstand unter Verwendung einer nicht vom Liefermitgliedstaat erteilten USt-Id-Nr. in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern.

Darüber hinaus war der Klägerin der Weiterverkauf durch S. an einen französischen Abnehmer nicht bekannt, so dass eine Zuordnung der Versendung zur zweiten Lieferung der S. an den französischen Abnehmer nicht in Betracht kam. Dass eigene Angestellte der S. bei der Abholung nicht anwesend waren, stand der Zuordnung zur ersten Lieferung im Hinblick auf die durch S. dem Abholenden erteilte Abholvollmacht schließlich gleichfalls nicht entgegen. Hieran ändert sich auch nichts, wenn davon auszugehen wäre, dass die Klägerin nicht der erste Lieferer in der Reihe war, da auch sie das Fahrzeug vom Hersteller oder sonst aufgrund einer Lieferung erworben hatte und das Fahrzeug vom französischen Fahrer beim Lieferer der Klägerin abgeholt wurde. Denn erst S. hat gegenüber der Klägerin unter Verwendung ihrer USt-Id-Nr. erklärt, sie werde den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern.

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