14.07.2020

Investmentsteuerrecht: DBA-Freistellung für Dividenden

§ 4 InvStG 2004 ist dahin auszulegen, dass die Frage, ob Dividendenerträge nach einem Doppelbesteuerungsabkommen aufgrund des sog. Schachtelprivilegs steuerbefreit sind, im Einklang mit dem sog. Transparenzprinzip nach Maßgabe der Beteiligungen der Fondsanleger zu beurteilen ist.

BFH v. 23.10.2019 - I R 51/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger war in den Jahren 2009 und 2010 ein inländisches Immobilien-Spezial-Sondervermögen i.S.v. § 2 Abs. 1 und 3 InvG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004. Er hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das jeweils zum 31.8. endete. Der Kläger wurde von einer inländischen GmbH als Kapitalanlagegesellschaft i.S.v. § 6 des InvG verwaltet. Während des gesamten Geschäftsjahrs 2009/2010 und zum Zeitpunkt der Endausschüttung am 9.12.2010 hielten die Anleger X-Bank und Y-GmbH jeweils mehr als 10 % der Anteile am Kläger. Alle anderen Anleger waren mit jeweils weniger als 10 % am Kläger beteiligt.

Zum investmentrechtlichen Sondervermögen des Klägers gehörten im Geschäftsjahr 2009/2010 alle Anteile an einer polnischen Kapitalgesellschaft J-Sp.z o.o., deren wesentliche Tätigkeit in der Vermietung eines in Polen belegenen Geschäftsgrundstücks bestand. Diese Gesellschaft schüttete im Dezember 2009 Geld aus ihrer Kapitalrücklage aus. Der Kläger verbuchte die Zahlung in seinem Jahresabschluss als gewinnneutrale Herabsetzung des Beteiligungsbuchwerts. Da die Verwalterin keinen Antrag auf Feststellung einer Einlagenrückgewähr nach § 27 Abs. 8 KStG gestellt hatte, berücksichtigte der Kläger die Zahlung in der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 13 Abs. 2 InvStG 2004 als eine gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zwar steuerbare, aber gem. § 4 Abs. 1 InvStG 2004 i.V.m. dem sog. Schachtelprivileg nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 des DBA-Abkommens zwischen Deutschland und Polen (2003) bei allen Anlegern steuerfreie Ausschüttung.

Das Finanzamt war demgegenüber unter Berufung auf das BMF-Schreiben vom 18.8.2009 der Auffassung, die Steuerbefreiung nach dem abkommensrechtlichen Schachtelprivileg gelte nur für jene Anleger, die zu mindestens 10 % am Kläger und damit mittelbar auch an der J-Sp.z o.o. beteiligt gewesen seien. Das Finanzamt erließ dementsprechend einen Feststellungsbescheid, in dem es die Dividenden der J-Sp.z o.o. nur hinsichtlich der X-Bank und der Y-GmbH als nach § 4 Abs. 1 InvStG 2004 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Polen 2003 steuerfrei behandelte. Im Hinblick auf alle anderen Anleger stellte das Finanzamt insoweit (weitere) Erträge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG bzw. § 3 Nr. 40 EStG fest.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die nach § 4 Abs. 1 InvStG 2004 steuerfreien Erträge sind in dem angefochtenen Änderungsbescheid nicht mit einem zu niedrigen Betrag festgestellt worden.

Die Investmentgesellschaft hat gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2004 spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs eine Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen abzugeben, die gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 einer gesonderten Feststellung gleichsteht. Bei inländischen Spezial-Sondervermögen wie dem Kläger gilt für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO entsprechend; die Feststellungserklärung steht einer gesonderten und einheitlichen Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 15 Abs. 1 Satz 3 InvStG 2004).

Zu den festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehören grundsätzlich auch die zugeflossenen ausländischen Einkünfte. § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 sieht allerdings vor, dass die auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie die ausschüttungsgleichen Erträge bei der Veranlagung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insoweit außer Betracht zu lassen sind, als sie aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, für die Deutschland aufgrund eines DBA auf die Ausübung des Besteuerungsrechts verzichtet hat. Vorliegend gingen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass es sich bei der im Dezember 2009 empfangenen Zahlung um Einkünfte aus Dividenden handelt, auf die das abkommensrechtliche Schachtelprivileg des Art. 24 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 DBA - Polen 2003 Anwendung findet. Ob dies zutrifft, konnte vorliegend anhand der vorinstanzlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

Gleichwohl bedurfte es keiner Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG. Zum einen war dem BFH eine Verringerung des im angefochtenen Bescheid festgestellten Betrags der nach § 4 Abs. 1 InvStG 2004 steuerfreien Einkünfte aufgrund des verfahrensrechtlichen Verböserungsverbots verwehrt. Zum anderen fehlte es für die vom Kläger angestrebte Erhöhung des festzustellenden Betrags an einer rechtlichen Grundlage. Das FG hat zutreffend erkannt, dass das Schachtelprivileg des Art. 24 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 DBA-Polen 2003 gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 nur hinsichtlich jener Anleger des Spezial-Investmentfonds in Betracht kommt, die durchgerechnet mit 10 % an der polnischen Gesellschaft beteiligt waren.

Gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 sind die auf Investmentanteile ausgeschütteten Erträge bei der Veranlagung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insoweit außer Betracht zu lassen, als sie aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, für die Deutschland aufgrund eines DBA auf die Ausübung des Besteuerungsrechts verzichtet hat. Hier war das Tatbestandsmerkmal des Besteuerungsverzichts in § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 dahin zu interpretieren, dass es nicht auf die tatsächliche Abkommensberechtigung in der Fondskonstellation ankommt, sondern im Rahmen einer fiktiven Betrachtung ausschließlich auf die Prüfung gerichtet ist, ob der jeweilige Anleger, wäre er unmittelbar an der ausländischen Gesellschaft beteiligt, sich auf einen abkommensrechtlichen Besteuerungsverzicht berufen könnte. Für dieses Normverständnis spricht, dass § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 unmittelbar die Ebene der Besteuerung der Anleger betrifft. Darüber hinaus entspricht diese Sichtweise sowohl dem verlautbarten Willen des historischen Gesetzgebers als auch dem Normzweck.
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