12.10.2012

Kein Abrechnungsbescheid über Anspruch auf Rückgewähr insolvenzrechtlich angefochtener Steuerzahlungen

Die Frage, ob ein Insolvenzverwalter einen aus § 143 Abs. 1 InsO folgenden Anspruch auf Rückgewähr dem Finanzamt vom Insolvenzschuldner erbrachter Leistungen hat, kann nicht Gegenstand eines Abrechnungsbescheids sein. Dieser Anspruch ist kein Erstattungsanspruch i.S.d. § 37 Abs. 2 AO und somit kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 1 AO.

BFH 5.9.2012, VII B 95/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in einem am 16.9.2010 eröffneten Insolvenzverfahren. Mit Schreiben vom 9.11.2010 hatte er gegenüber dem Finanzamt die Abbuchungen vom Konto des Schuldners durch die Behörde aufgrund erteilter Einzugsermächtigung in der Zeit von Januar bis einschließlich März 2010 angefochten. Das Finanzamt bestritt das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO und erließ einen Abrechnungsbescheid, der hinsichtlich der eingezogenen Kraftfahrzeugsteuern für mehrere Fahrzeuge des Schuldners einen Erstattungsanspruch auswies.

Der Kläger war der Ansicht, das Finanzamt habe nicht durch Abrechnungsbescheid über den Rückgewähranspruch nach insolvenzrechtlicher Anfechtung entscheiden dürfen und klagte vor dem FG. Außerdem erhob der Kläger eine zivilrechtliche Klage auf Rückzahlung der eingezogenen Beträge gegen die Finanzbehörde, die nach bereits ergangener Entscheidung des LG in zweiter Instanz beim OLG anhängig ist.

Das FG hat das Verfahren gem. § 74 FGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die zivilrechtliche Klage ausgesetzt. Der Streitfall sei mit dem Fall einer Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung vergleichbar, für den anerkannt sei, dass der Rechtsstreit bis zur Entscheidung des zuständigen Gerichts über den Bestand der Gegenforderung auszusetzen sei. Auf die Beschwerde des Klägers hob der BFH den Beschluss auf und wies das FG an, über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids ohne Rücksicht auf das noch ausstehende zivilgerichtliche Urteil über den geltend gemachten Rückgewähranspruch des Klägers zu entscheiden.

Die Gründe:
Die Entscheidung des FG über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids hängt von dem Ausgang der zivilrechtlichen Klage nicht ab.

Ob ein Steuerpflichtiger einen Erstattungsanspruch hat, hängt nach § 37 Abs. 2 AO davon ab, ob auf seine Rechnung eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden bzw. ein für die Leistung zunächst vorhandener rechtlicher Grund später weggefallen ist. Bei dem hier streitigen auf die Anfechtungsvorschriften der InsO gestützten Anspruch des Klägers handelte es sich allerdings nicht um einen aus dem Steuerschuldverhältnis herrührenden Erstattungsanspruch i.S.d. § 37 Abs. 2 AO, über dessen Bestehen dem Grunde oder der Höhe nach im Wege eines Abrechnungsbescheids verbindlich entschieden werden kann. Die Kraftfahrzeugsteuern waren nicht ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, weil insoweit wirksame Steuerbescheide vorlagen, die weder zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben noch auf andere Weise erledigt worden waren.

Die Steuerbescheide konnten auch nicht wegen der seitens des Klägers erklärten Insolvenzanfechtung als unwirksam angesehen werden, weil mit der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen, nicht aber etwaige den Rechtshandlungen zugrunde liegende rechtliche Verpflichtungen angefochten werden. Denn wurde mit einer vom Insolvenzverwalter erfolgreich angefochtenen Leistung eine gegenüber dem Anfechtungsgegner bestehende Forderung erfüllt, lebt diese mit der Rückgewähr der erhaltenen Leistung gem. § 144 Abs. 1 InsO wieder auf. Damit wird deutlich, dass der Rechtsgrund einer anfechtbaren Leistung von der Insolvenzanfechtung unberührt bleibt.

Somit bestand hier hinsichtlich der aufgrund erteilter Einzugsermächtigung entrichteten Kraftfahrzeugsteuern kein Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO. Ein solches Ergebnis kann vom Finanzamt durch Abrechnungsbescheid festgestellt werden, falls insoweit Streit besteht. Hingegen kann die Frage, ob der Kläger als Insolvenzverwalter einen aus § 143 Abs. 1 InsO folgenden Anspruch auf Rückgewähr dem Finanzamt vom Insolvenzschuldner erbrachter Leistungen hat, nicht Gegenstand eines Abrechnungsbescheids sein, denn dieser Anspruch ist kein Erstattungsanspruch i.S.d. § 37 Abs. 2 AO und somit kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 1 AO. Das entspricht auch der BGH-Rechtsprechung (Beschl. v. 24.3.2011, Az.: IX ZB 36/09).

Der hiervon abweichenden Rechtsauffassung vom V. Senat wird nicht gefolgt, ohne insoweit zu einer Vorlage an den Großen Senat verpflichtet zu sein. Die vom beschließenden Senat mit Urteil vom 23.9.2009 (Az.: VII R 43/08) vertretene Auffassung, das Finanzamt könne einen auf § 37 Abs. 2 S. 1 AO gestützten Rückforderungsbescheid erlassen, falls es einen vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Rückgewähranspruch erfüllt habe, obwohl die Anfechtungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten, dürfte sich nach alledem nicht aufrechterhalten lassen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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