27.09.2012

Kein isolierter Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts bei gleichzeitigem Verbleib in der Glaubensgemeinschaft

Wer aufgrund staatlicher Vorschriften aus einer Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten will, kann seine Erklärung nicht auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts beschränken. Ein Verbleib lediglich in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft ist nicht möglich.

BVerwG 26.9.2012, 6 C 7.12
Der Sachverhalt:
Der Beigeladene, ein emeritierter Universitätsprofessor für katholisches Kirchenrecht, erklärte gegenüber dem Standesamt seines Wohnorts seinen Austritt aus der Religionsgemeinschaft, die er dabei mit den Worten bezeichnete "römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechts".

Das klagende Erzbistum Freiburg sah in den Worten "Körperschaft des öffentlichen Rechts" einen Zusatz, der zum Ausdruck bringen solle, dass der Beigeladene nur aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts, nicht aber aus der römisch-katholischen Kirche austreten wolle. Das Erzbistum hält einen solchen Zusatz nach der einschlägigen Bestimmung des Kirchensteuergesetzes Baden-Württemberg für unzulässig. Mit seiner Klage wendet es sich gegen die Bescheinigung, durch die das Standesamt dem Beigeladenen den Austritt aus seiner Religionsgemeinschaft bestätigt hat.

Das VG wies die Klage ab; der VGH Mannheim gab der Klage statt und hob die Bescheinigung auf. Auf die Revision des Beilgeladenen hob das BVerwG das Berufungsurteil auf und stellte das die Klage abweisende Urteil des VG wieder her.

Die Gründe:
Mit der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wie der römisch-katholischen Kirche, sind über die Wirkungen im Bereich der Religionsgemeinschaft hinaus auch Rechtsfolgen im staatlichen Bereich verbunden, z.B. die Kirchensteuerpflicht. Die im GG garantierte Glaubensfreiheit umfasst auch die Freiheit, keinen Glauben zu haben und einer Religionsgemeinschaft fernzubleiben. Deshalb darf der Staat mit solchen Rechtsfolgen nur an eine Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft anknüpfen, die freiwillig begründet wurde und noch freiwillig fortbesteht.

Staatliche Vorschriften über den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft sichern diesen Aspekt der Glaubensfreiheit. Die Auslegung solcher Vorschriften muss einerseits gewährleisten, dass jemand durch Abgabe einer entsprechend eindeutigen Erklärung seine Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft aufgeben kann und dieser Austritt die Wirkungen beseitigt, die nach staatlichem Recht mit der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft verknüpft sind. Die Auslegung dieser Austrittsvorschriften muss andererseits sicherstellen, dass die ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Körperschaftsrechte der Religionsgemeinschaft, die an die Mitgliedschaft in ihr anknüpfen, nicht stärker beschränkt werden, als es zur Gewährleistung der (negativen) Glaubensfreiheit des Einzelnen erforderlich ist.

Danach muss sich die Erklärung des Austrittswilligen auf seine Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft beziehen und die Aufgabe der Zugehörigkeit zu ihr zum Gegenstand haben. Unzulässig ist eine Erklärung, die den Willen zum Ausdruck bringt, nur die mit der Mitgliedschaft verbundenen Wirkungen im staatlichen Bereich zu beseitigen, also aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts auszutreten, in der Glaubensgemeinschaft selbst aber zu verbleiben. Im formalisierten staatlichen Austrittsverfahren kommt es allerdings nur auf die Erklärung an, die der Austrittswillige vor der zuständigen staatlichen Stelle abgegeben hat. Weitere äußere, sie begleitende Umstände dürfen nicht herangezogen werden, namentlich nicht andere Äußerungen, die der Austrittswillige im zeitlichen Umfeld seines Austritts über die Motive und Vorstellungen gemacht hat, die er mit seiner Erklärung verbindet.

Es ist daher vorliegend davon auszugehen, dass der Beigeladene mit seiner Erklärung gegenüber dem Standesbeamten seinen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche erklärt und sich auf diese Erklärung beschränkt hat. Die Worte "Körperschaft des öffentlichen Rechts" in der Erklärung des Beigeladenen sind ein zwar nicht notwendiger, aber auch nicht schädlicher Teil der Bezeichnung für die Religionsgemeinschaft, aus der der Beigeladene ausgetreten ist. Die Erklärung bezieht sich nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt nicht auf eine von der Glaubensgemeinschaft getrennte Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern auf die Glaubensgemeinschaft der römisch-katholischen Kirche in der Form, wie sie im Geltungsbereich des Kirchensteuergesetzes besteht.

Linkhinweis:

Auf den Webseiten des BVerwG finden Sie die Pressemitteilung hier.

BVerwG PM Nr. 91 vom 26.9.2012
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