13.11.2012

Kein Ordnungsgeld nach Klagerücknahme

Die Anordnung des persönlichen Erscheinens sowie die Androhung und Festsetzung eines Ordnungsgeldes (§ 80 Abs. 1 FGO) dienen der Sachverhaltsaufklärung und der Verfahrensbeschleunigung. Insoweit ist der Wortlaut des § 80 Abs. 1 S. 3 FGO dahingehend einzuschränken, dass Ordnungsgeld im Regelfall nur festgesetzt werden darf, wenn das unentschuldigte Ausbleiben zu einer Verfahrensverzögerung führt; daran fehlt es bei einer Klagerücknahme im Laufe der mündlichen Verhandlung.

BFH 17.9.2012, V B 77/12
Der Sachverhalt:
Die Beschwerde der Beschwerdeführer richtet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von jeweils 200 €. In dem beim FG anhängigen Hauptsacheverfahren der klagenden Grundstücksgemeinschaft wandte sich diese gegen die Festsetzung und die Höhe eines Verspätungszuschlags i.H.v. 1.030 €. Zu der auf den 26.4.2012 terminierten mündlichen Verhandlung hatte das FG den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und die Beschwerdeführer geladen. Hinsichtlich der Beschwerdeführer war deren persönliches Erscheinen angeordnet und für den Fall des Nichterscheinens ein Ordnungsgeld i.H.v. jeweils 200 € angedroht worden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte der Vorsitzende fest, dass die Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen waren. Nach dem Vortrag des Sach- und Streitstands durch den Berichterstatter und die Erörterung der Rechtslage mit dem Beklagtenvertreter und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nahm dieser die Klage für die Klägerin zurück. Das Verfahren wurde gem. § 72 FGO eingestellt.

Mit Beschlüssen vom 4.5.2012 setzte das FG gegen die Beschwerdeführer jeweils ein Ordnungsgeld i.H.v. 200 € fest. Zur Begründung führte es aus, dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens erfolgt sei, um mit den Beschwerdeführern die Gründe für die verspätete Abgabe der Umsatzsteuererklärung zu erörtern. Da diese ohne Angaben von Gründen zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen waren, wurde das gegen sie angedrohte Ordnungsgeld festgesetzt.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführer hatte vor dem FG keinen Erfolg. Der BFH half der Beschwerde jedoch ab und hob die angefochtenen Ordnungsgeldbeschlüsse auf.

Die Gründe:
Das FG hat zu Unrecht gegen die beiden Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld festgesetzt.

Das FG hatte für diese zwar ordnungsgemäß ein persönliches Erscheinen angeordnet und bei Nichterscheinen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 200 € angedroht. Nachdem die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten jedoch die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.4.2012 zurückgenommen hatte, durfte das angedrohte Ordnungsgeld nicht mehr festgesetzt werden. Nach § 80 Abs. 1 FGO kann das Gericht das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Für den Fall des Ausbleibens kann es Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen androhen. Bei schuldhaftem Ausbleiben setzt das Gericht durch Beschluss das angedrohte Ordnungsgeld fest.

Als ergänzende Vorschrift zu § 76 Abs. 1 FGO dient die Vorschrift der Aufklärung des Sachverhalts durch Mitwirkung der Beteiligten sowie der Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens. Die Pflicht zum Erscheinen bei Gericht ist daher kein Selbstzweck. Eine Festsetzung von Ordnungsgeld darf in der Regel nur dann erfolgen, wenn das unentschuldigte Ausbleiben zu einer Verfahrensverzögerung führt. Eine Verfahrensverzögerung liegt jedoch dann nicht vor, wenn sich das Ausbleiben des Beteiligten für das Verfahren als unschädlich erweist.

Der mit § 141 Abs. 3 ZPO übereinstimmende Normzweck gebietet eine einschränkende Auslegung des Tatbestands von § 80 Abs. 1 S. 3 FGO dahingehend, dass bei schuldhaftem Ausbleiben ein Ordnungsgeld nur festzusetzen ist, wenn hierdurch die Sachaufklärung erschwert und der Prozess verzögert wird. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes verliert dagegen ihre Berechtigung, wenn sich das Ausbleiben des Beteiligten oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verfahrensverzögernd ausgewirkt hat, weil der Prozess im Laufe der mündlichen Verhandlung - wie im Streitfall - durch Klagerücknahme beendet wurde.

Vorliegend hat das FG die Festsetzung des Ordnungsgeldes damit begründet, dass das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführer angeordnet worden sei, um mit ihnen persönlich die Gründe für die verspätete Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2009 zu erörtern. Nach Zurücknahme der Klage im Laufe der mündlichen Verhandlung entfiel dieser Grund für die Anordnung des persönlichen Erscheinens und eine Verzögerung des Verfahrens war ausgeschlossen. Unter diesen Umständen ist ein schuldhaftes Ausbleiben der Beschwerdeführer nicht mit einem Ordnungsgeld zu belegen. Die angefochtenen Beschlüsse waren daher aufzuheben.

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