11.09.2025

Kein Verlust der Rechtsfähigkeit einer Stiftung bei Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Inland

Eine im EU/EWR-Ausland rechtswirksam gegründete Stiftung verliert ihre Rechtsfähigkeit nicht allein durch die Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Inland. Dies ergibt sich etwa aus dem Umstand, dass die Stiftung sich auf die im EG-Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV) berufen kann.

FG München v. 13.8.2025 - 4 K 2055/23
Der Sachverhalt:
Streitig war die Rechtmäßigkeit eines Schenkungsteuerbescheids und hierbei insbesondere, ob eine in Liechtenstein gegründete Stiftung durch Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Inland ihre Rechtsfähigkeit verloren hat und deshalb eine Schenkung, die an die Stiftung erfolgt ist, schenkungssteuerrechtlich dem Kläger zuzurechnen ist. Der Kläger und Gründer der Stiftung war der Ansicht, die beteiligten Grundbuchämter und das Handelsregister hätten die Stiftung jeweils als Berechtigte eingetragen. Daher verstoße die Negierung der Rechtsfähigkeit der Stiftung gegen geltendes Recht sowie gegen die Rechtsprechung (insbesondere des EuGH). Mithin habe die Stiftung ihre Rechtsfähigkeit durch die Sitzverlegung nach München behalten und sei daher durch die streitgegenständliche Zuwendung bereichert i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Das Finanzamt hielt an dem Steuerbescheid fest. Ein deutsches Internationales Stiftungsrecht sei als Kollisionsnorm nicht kodifiziert. Grundsätzlich sei eine Anknüpfung an das Recht des Sitz- oder des Gründungsstaates möglich. Allerdings habe der BGH bisher noch nicht entschieden, welche Theorie bei im Inland domizilierten Stiftungen ausländischen Rechts Anwendung finde. Da die überwiegende Literaturmeinung in Bezug auf Stiftungen weiterhin die Sitztheorie vertrete und solange die Rechtsfrage, ob bei Stiftungen die Sitz- oder Gründungstheorie eingreife, höchstrichterlich nicht geklärt sei, erscheine es mehr als vertretbar, sich der Literaturmeinung anzuschließen. Nach übereinstimmender Auffassung der Finanzverwaltung und des BFH sei das Stiftungsvermögen dem Stifter und nicht der ausländischen Stiftung zuzurechnen, soweit die Stiftung im Verhältnis zum Stifter nicht tatsächlich und rechtlich frei über das zugewendete Vermögen verfügen könne.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Allerdings wurde wegen der grundsätzlicher Bedeutung der entschiedenen Rechtsfragen die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Der Schenkungsteuerbescheid war rechtswidrig. Das Finanzamt hatte zu Unrecht eine unentgeltliche Zuwendung an den Kläger angenommen.

Das Vermögen einer wirksam gegründeten, rechtlich selbständigen und damit intransparenten Stiftung ist dem Stifter nicht mehr zuzurechnen. Somit war die streitgegenständliche Geldschenkung nicht dem Kläger, sondern vielmehr der Stiftung als Zuwendungsempfänger zuzurechnen. Die Stiftung hat - entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes auch durch die Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Inland ihre Rechtsfähigkeit nicht verloren. Dies ergab sich zur Überzeugung des erkennenden Gerichts aus dem Umstand, dass die Stiftung sich auf die im EG-Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV) berufen konnte.

Bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person ist zwar grundsätzlich entsprechend der Sitztheorie das Recht des Staates maßgebend, in dem die juristische Person ihren Verwaltungssitz hat, wobei es nicht auf den in der Satzung genannten, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt. Eine von diesem Grundsatz abweichende Beurteilung kann jedoch geboten sein, wenn in staatsrechtlichen Verträgen besondere Regelungen enthalten sind. So ist insbesondere bei einer juristischen Person, die ihren satzungsgemäßen Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU hat, die Frage der Rechtsfähigkeit nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie gegründet wurde. Das gleiche gilt für eine juristische Person, die in einem EFTA-Staat gegründet wurde, der dem EWR-Abkommen beigetreten ist.

Zu diesen Staaten gehört auch Liechtenstein. Wie der BGH im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urt. v. 5.11.2002, Rs C-208/00, Überseering; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 30.11.2003, Rs C-167/01, Inspire Art) bereits entschieden hat, ist die in einem Vertragsstaat der Europäischen Gemeinschaft nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat auf der Grundlage der im EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 AEUV) - unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes - in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde. Das gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft im Ausland nur ihren gründungs- bzw. satzungsmäßigen Sitz hat, während sie von vornherein ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland nimmt und hier auch ihre Geschäfte betreibt und auf diese Weise bewusst die Gründungsvorschriften am Ort ihrer tatsächlichen Geschäftstätigkeit umgeht.

Allerdings bedarf die Frage des Fortbestands der Rechtsfähigkeit von im Ausland gegründeten Stiftungen der höchstrichterlichen Klärung, weshalb die Revision zum BFH zugelassen wurde.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Steuerrecht:
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Allumfassende Inhalte zum Steuerrecht. 4 Wochen gratis nutzen!
Bayern.Recht