18.08.2022

Kein Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 12 Nr. 3 EStG bei der Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers für Lohnsteuer, die auf den eigenen Arbeitslohn entfällt

Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers zur Tilgung von Haftungsschulden sind auch insoweit als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar, als die Haftung auf nicht abgeführter Lohnsteuer beruht, die auf den Arbeitslohn des Geschäftsführers entfällt. Das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 3 EStG steht dem nicht entgegen.

Kurzbesprechung
BFH v. 3. 2022 - VI R 19/20

AO § 3 Abs 1, § 34, § 43, § 69
EStG § 9 Abs 1 S 1, § 10d Abs 4 S 4, § 12 Nr. 3, § 38 Abs 1, ESG § 38 Abs 2 S 1, § 38 Abs 3, § 41a Abs 1 S 1 Nr. 2, § 42d Abs 3 S 4
FGO § 40 Abs 2, § 68 S 1, § 100 Abs 2 S 2, § 121 S 1, § 127


Im Streitfall ging es um die Frage, ob die angestellte Geschäftsführerin einer GmbH Aufwendungen infolge einer Haftungsinanspruchnahme nach § 69 AO auch insoweit als Werbungskosten bei Ermittlung ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen kann, als die Haftung auf Lohnsteuer entfällt, die ihren Arbeitslohn betrifft. Das FA hatte dies abgelehnt, das FG der eingelegten Klage jedoch entsprochen. Auch der BFH wies die vom FA eingelegte Revision als unbegründet zurück.

Die Steuerpflichtige wurde vom FA gemäß §§ 69, 34 AO als Haftende für von einer GmbH angemeldete, aber nicht abgeführte Lohnsteuern und Nebenabgaben für Januar bis Dezember 2013 in Anspruch genommen. Die Haftung beruhte damit auf Pflichtverletzungen, die der Steuerpflichtigen aufgrund ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als angestellter Geschäftsführerin der GmbH zur Last gelegt wurden. Denn sie hatte als Geschäftsführerin der GmbH dafür Sorge zu tragen, dass die GmbH ihre steuerlichen Pflichten erfüllte, insbesondere die einbehaltenen Lohnsteuern an das Betriebsstättenfinanzamt abführte und die entsprechenden Nebenabgaben entrichtete. Diesen beruflichen Pflichten war die Steuerpflichtige jedoch nicht hinreichend nachgekommen.

Ihre Inhaftungnahme stand damit in wirtschaftlichem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit als angestellte Geschäftsführerin der GmbH. Das "auslösende Moment" für die von der Steuerpflichtigen auf die Haftungsschulden getätigten Aufwendungen lag folglich im Bereich der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Die Aufwendungen standen damit in objektivem Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung. Sie dienten auch subjektiv der beruflichen Tätigkeit der Steuerpflichtigen, da diese mit den Aufwendungen Schulden tilgen wollte, die sie als angestellte Geschäftsführerin der GmbH getroffen hatten.

Der hiernach bestehende erwerbsbezogene Veranlassungszusammenhang wurde auch nicht durch private Umstände aufgehoben. Ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang kann insbesondere aufgehoben werden, wenn der Arbeitnehmer strafbare Handlungen begeht, die mit seiner Erwerbstätigkeit nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft, er seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert Das FG hatte private Umstände, die den bestehenden beruflichen Veranlassungszusammenhang ausschließen könnten, im Streitfall nicht festgestellt. Diese wurden vom FA auch weder geltend gemacht noch waren sie den Akten zu entnehmen.

Die berufliche Veranlassung der Aufwendungen wurde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Steuerpflichtige nicht nur Geschäftsführerin, sondern auch Gesellschafterin der GmbH war. Eine steuerlich relevante (Mit-)Veranlassung der Aufwendungen durch das Gesellschaftsverhältnis ist nicht gegeben, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht wegen seiner Stellung als Gesellschafter, sondern gemäß §§ 69, 34 AO als (angestellter) Geschäftsführer in Anspruch genommen wird und darauf beruhende Haftungsschulden tilgt.

Das FG hatte ferner zutreffend entschieden, dass das Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 EStG der Berücksichtigung der Werbungskosten im Streitfall nicht entgegensteht, da im Streitfall die Voraussetzungen des § 12 Nr. 3 EStG schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erfüllt waren. Denn es ging weder um den Abzug von (nachgeforderter) Einkommen- oder Lohnsteuer (als besonderer Erhebungsform der Einkommensteuer gemäß § 38 Abs. 1 EStG) noch um den Abzug darauf entfallender Nebenleistungen, sondern allein um den Abzug von Zahlungen der Steuerpflichtigen auf ihre Haftungsschulden, die auf §§ 69, 34 AO beruhen. Solche Haftungsschulden sind jedoch keine Steuern gemäß § 3 Abs. 1 AO und mithin erst recht weder Steuern vom Einkommen noch eine sonstige Personensteuer i.S. von § 12 Nr. 3 EStG.

Der Haftungstatbestand der §§ 69, 34 AO begründet vielmehr die Pflicht des Haftenden, für eine zulasten eines anderen begründete Steuerschuld mit dem eigenen Vermögen unbeschränkt einstehen zu müssen. Die steuerliche Haftung ist Außen- und Fremdhaftung, also Einstehen Müssen für die Schuld eines Dritten gegenüber der Finanzbehörde.

Nichts anderes gilt, soweit die Haftungsschulden auf von der GmbH nicht abgeführte Lohnsteuer und Nebenabgaben der Steuerpflichtigen selbst entfallen. § 12 Nr. 3 EStG greift auch dann nicht ein, wenn die Haftung des Geschäftsführers auf von der vertretenen Gesellschaft einbehaltenen, aber nicht abgeführten eigenen Lohnsteuern des Geschäftsführers beruht. Denn die Pflicht zur Entrichtung der (angemeldeten) Lohnsteuer obliegt dem Arbeitgeber (§ 41a Abs. 1 EStG i.V.m. § 43 AO), im Streitfall also der GmbH. Aus der Sicht der Steuerpflichtigen handelte es sich damit bei der Entrichtungsschuld der GmbH um eine fremde Steuerschuld, für deren Entrichtung sie aus den von ihr als Geschäftsführerin verwalteten Mitteln der GmbH zu sorgen hatte. Die Steuerpflichtige wurde mit dem Haftungsbescheid somit nicht als Steuerschuldnerin gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG für ihre eigene Lohnsteuer herangezogen. Der Haftungsbescheid betraf vielmehr nur ihre Inanspruchnahme als Geschäftsführerin der GmbH gemäß §§ 69, 34 AO. Dies gilt auch, soweit den Aufwendungen materiell von der GmbH nicht abgeführte Lohnsteuern der Steuerpflichtigen selbst zugrunde liegen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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