Kein Zufluss von Darlehenszinsen bei Prolongation vor Fälligkeit
Kurzbesprechung
BFH v. 17.9.2025 - VIII R 30/23
EStG § 11, § 20 Abs. 1 Nr. 7
Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.
Das Innehaben von (fälligen) Ansprüchen oder Rechten führt dagegen noch nicht zum Zufluss von Kapitaleinkünften, da dieser grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs eintritt.
Der Zufluss kann auch durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag "fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll". In einer solchen Schuldumwandlung (Novation) kann, wenn sie im überwiegenden Interesse des Gläubigers liegt, eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die aus einkommensteuerrechtlicher Sicht so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch Zahlung beglichen und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des neu geschaffenen Schuldgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte. Die Novation stellt sich dann als eine bloße Abkürzung des Leistungswegs dar.
Voraussetzung für den Zufluss aufgrund einer Novation ist das Vorliegen einer zivilrechtlich wirksamen Schuldumwandlung. Ein solcher Vertrag setzt den übereinstimmenden Willen der Parteien voraus, das alte Schuldverhältnis durch ein neues (anderes) ersetzen und damit zugleich das alte Schuldverhältnis aufheben zu wollen, sodass die Beteiligten nicht mehr darauf zurückgreifen können.
Davon abzugrenzen ist das einvernehmliche Hinausschieben der Fälligkeit des Zinsanspruchs. Eine Vertragsänderung dieses Inhalts bewirkt steuerlich lediglich eine Stundung und rechtfertigt nicht die Annahme einer den Zufluss begründenden Verfügung des Gläubigers über die Kapitalerträge. Ob zivilrechtlich eine Novation oder lediglich eine Prolongation des Darlehensvertrags vorliegt, ist im Zweifel durch Auslegung zu bestimmen.
Im Streitfall konnte das FG nicht nachvollziehbar darlegen, weshalb die Vertragsparteien trotz des eindeutig für eine Prolongation sprechenden Vertragswortlauts in Wirklichkeit eine Schuldumschaffung des Zinsanspruchs gewollt haben. Das FG hatte rechtsfehlerhaft angenommen, dass die isolierte Zinsschuld nicht habe prolongiert werden können. Auch seine weitere Annahme, dass die getroffene Vereinbarung deshalb als (zuflussbegründende) Novation ausgelegt werden müsse, war rechtsfehlerhaft.
Der BFH entschied, dass dem Steuerpflichtigen die streitbefangenen Zinsen nicht zugeflossen waren. Die getroffene Vereinbarung ist keine zum Zufluss der Zinsen führende Novation. Denn weder aus der Vereinbarung selbst noch aus den Umständen ihres Zustandekommens ergeben sich Anhaltspunkte, dass anstelle der eindeutig vereinbarten Prolongation des Zinsanspruchs vor Eintritt der Fälligkeit eine Schuldumschaffung gewollt gewesen sein könnte.
Die Vereinbarung hatte lediglich den Sinn, dass der geschuldete Zinsbetrag länger als ursprünglich vereinbart bei der Gesellschaft verbleiben sollte, weil diese in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war. Sie diente damit allein dazu, die Fälligkeit des Zinsanspruchs vor Eintritt des zunächst vereinbarten Fälligkeitstermins zu prolongieren. Es sollten auch weiterhin Darlehenszinsen geschuldet werden. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Verpflichtung der Gesellschaft zur Rückzahlung der Darlehensvaluta bereits erloschen war.
Die Darlehenszinsen waren dem Steuerpflichtigen im Streitjahr auch nicht deshalb zugeflossen, weil er als beherrschender Gesellschafter den gegen die Gesellschaft gerichteten noch nicht fälligen Anspruch auf Zahlung der endfälligen Zinsen prolongiert hatte (Zuflussfiktion).Denn im Streitfall fehlte es für die Annahme eines Zuflusses an der Fälligkeit des Zinsanspruchs. Der Anspruch des Steuerpflichtigen gegen die Gesellschaft war im Streitjahr zu keinem Zeitpunkt fällig. Der Steuerpflichtige und die Gesellschaft hatten noch vor dem Eintritt der Fälligkeit des Zinsanspruchs dessen Fälligkeit einvernehmlich und zivilrechtlich wirksam hinausgeschoben. Eine solche Vereinbarung löst auch bei einem beherrschenden Gesellschafter keinen Zufluss aus.
Die Darlehenszinsen waren dem Steuerpflichtigen im Streitjahr auch nicht nach den Grundsätzen zum fiktiven Zufluss aufgrund einer verdeckten Einlage in die Gesellschaft zugeflossen. Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil gegenleistungslos oder verbilligt zuwendet und dies durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.
Als verdeckte Einlagen sind jedoch nur Wirtschaftsgüter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehrt haben, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens. Im Streitfall war die Prolongation der Zinsfälligkeit zwar nicht fremdüblich, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Die unentgeltliche Zinsprolongation ist aber, wie auch der von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährte Vorteil, ein Darlehen zinslos nutzen zu können, steuerrechtlich kein einlagefähiges Wirtschaftsgut. Mangels einer Einlage war deshalb auch nicht davon auszugehen, dass dem Steuerpflichtigen (zuvor) etwas von der Gesellschaft zugeflossen ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 11, § 20 Abs. 1 Nr. 7
Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.
Das Innehaben von (fälligen) Ansprüchen oder Rechten führt dagegen noch nicht zum Zufluss von Kapitaleinkünften, da dieser grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs eintritt.
Der Zufluss kann auch durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag "fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll". In einer solchen Schuldumwandlung (Novation) kann, wenn sie im überwiegenden Interesse des Gläubigers liegt, eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die aus einkommensteuerrechtlicher Sicht so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch Zahlung beglichen und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des neu geschaffenen Schuldgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte. Die Novation stellt sich dann als eine bloße Abkürzung des Leistungswegs dar.
Voraussetzung für den Zufluss aufgrund einer Novation ist das Vorliegen einer zivilrechtlich wirksamen Schuldumwandlung. Ein solcher Vertrag setzt den übereinstimmenden Willen der Parteien voraus, das alte Schuldverhältnis durch ein neues (anderes) ersetzen und damit zugleich das alte Schuldverhältnis aufheben zu wollen, sodass die Beteiligten nicht mehr darauf zurückgreifen können.
Davon abzugrenzen ist das einvernehmliche Hinausschieben der Fälligkeit des Zinsanspruchs. Eine Vertragsänderung dieses Inhalts bewirkt steuerlich lediglich eine Stundung und rechtfertigt nicht die Annahme einer den Zufluss begründenden Verfügung des Gläubigers über die Kapitalerträge. Ob zivilrechtlich eine Novation oder lediglich eine Prolongation des Darlehensvertrags vorliegt, ist im Zweifel durch Auslegung zu bestimmen.
Im Streitfall konnte das FG nicht nachvollziehbar darlegen, weshalb die Vertragsparteien trotz des eindeutig für eine Prolongation sprechenden Vertragswortlauts in Wirklichkeit eine Schuldumschaffung des Zinsanspruchs gewollt haben. Das FG hatte rechtsfehlerhaft angenommen, dass die isolierte Zinsschuld nicht habe prolongiert werden können. Auch seine weitere Annahme, dass die getroffene Vereinbarung deshalb als (zuflussbegründende) Novation ausgelegt werden müsse, war rechtsfehlerhaft.
Der BFH entschied, dass dem Steuerpflichtigen die streitbefangenen Zinsen nicht zugeflossen waren. Die getroffene Vereinbarung ist keine zum Zufluss der Zinsen führende Novation. Denn weder aus der Vereinbarung selbst noch aus den Umständen ihres Zustandekommens ergeben sich Anhaltspunkte, dass anstelle der eindeutig vereinbarten Prolongation des Zinsanspruchs vor Eintritt der Fälligkeit eine Schuldumschaffung gewollt gewesen sein könnte.
Die Vereinbarung hatte lediglich den Sinn, dass der geschuldete Zinsbetrag länger als ursprünglich vereinbart bei der Gesellschaft verbleiben sollte, weil diese in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war. Sie diente damit allein dazu, die Fälligkeit des Zinsanspruchs vor Eintritt des zunächst vereinbarten Fälligkeitstermins zu prolongieren. Es sollten auch weiterhin Darlehenszinsen geschuldet werden. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Verpflichtung der Gesellschaft zur Rückzahlung der Darlehensvaluta bereits erloschen war.
Die Darlehenszinsen waren dem Steuerpflichtigen im Streitjahr auch nicht deshalb zugeflossen, weil er als beherrschender Gesellschafter den gegen die Gesellschaft gerichteten noch nicht fälligen Anspruch auf Zahlung der endfälligen Zinsen prolongiert hatte (Zuflussfiktion).Denn im Streitfall fehlte es für die Annahme eines Zuflusses an der Fälligkeit des Zinsanspruchs. Der Anspruch des Steuerpflichtigen gegen die Gesellschaft war im Streitjahr zu keinem Zeitpunkt fällig. Der Steuerpflichtige und die Gesellschaft hatten noch vor dem Eintritt der Fälligkeit des Zinsanspruchs dessen Fälligkeit einvernehmlich und zivilrechtlich wirksam hinausgeschoben. Eine solche Vereinbarung löst auch bei einem beherrschenden Gesellschafter keinen Zufluss aus.
Die Darlehenszinsen waren dem Steuerpflichtigen im Streitjahr auch nicht nach den Grundsätzen zum fiktiven Zufluss aufgrund einer verdeckten Einlage in die Gesellschaft zugeflossen. Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil gegenleistungslos oder verbilligt zuwendet und dies durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.
Als verdeckte Einlagen sind jedoch nur Wirtschaftsgüter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehrt haben, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens. Im Streitfall war die Prolongation der Zinsfälligkeit zwar nicht fremdüblich, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Die unentgeltliche Zinsprolongation ist aber, wie auch der von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewährte Vorteil, ein Darlehen zinslos nutzen zu können, steuerrechtlich kein einlagefähiges Wirtschaftsgut. Mangels einer Einlage war deshalb auch nicht davon auszugehen, dass dem Steuerpflichtigen (zuvor) etwas von der Gesellschaft zugeflossen ist.