25.11.2021

Keine Abzinsung einer aufschiebend bedingten Last

1. Eine aufschiebend bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten.
2. Der Kapitalwert von lebenslänglichen Leistungen wird mit dem bei Bedingungseintritt geltenden Vervielfältiger berechnet.
3. Eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last für die Schwebezeit zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt findet nicht statt.

Kurzbesprechung
BFH v. 15.7.2021 - II R 26/19

ErbStG § 12 Abs 1
BewG § 5 Abs 2 S 1, § 6 Abs 1, § 6 Abs 2, § 12 Abs 1, § 12 Abs 3, § 14 Abs 1 S 1, § 14 Abs 1 S 2


Die Klägerin war die Ehefrau des verstorbenen O (Schenker) und ist dessen Gesamtrechtsnachfolgerin. Der Schenker übertrug seinen Kommanditanteil an einer GmbH & Co. KG im Wege der Schenkung durch notariellen Vertrag vom 23.12.2004 auf die gemeinsame Tochter (Beschenkte), behielt sich aber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Kommanditanteil bis zu seinem Tod vor. Nach seinem Tod war die Beschenkte verpflichtet, an die Klägerin zu Lasten des Kommanditanteils einen monatlichen, wertgesicherten Betrag in Höhe von 4.000 € zu zahlen. Der Schenker übernahm die Schenkungsteuer.

Das FA setzte die Schenkungsteuer gegenüber dem Schenker fest, in dem die der Klägerin gegenüber bestehende Rentenzahlungsverpflichtung nicht in Ansatz gebracht wurde.

Nach dem Tod des Schenkers im Januar 2016 beantragte die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin, die Schenkungsteuerfestsetzung anzupassen und die von der Beschenkten an sie zu entrichtende Rentenlast nunmehr steuermindernd zu berücksichtigen. Bei einem Jahreswert in Höhe von 48.000 € und einem am Todestag des Schenkers aufgrund ihres Lebensalters von 78 Jahren anzusetzenden Vervielfältiger von 8,034 bezifferte sie den zu berücksichtigenden Kapitalwert der Rentenlast mit 385.632 €. Das FA berücksichtigte dagegen nur einen abgezinsten Betrag.

Dies sah der BFH jedoch anders und gab der eingelegten Revision statt.

Maßgebender Zeitpunkt für die Berechnung des Kapitalwerts einer aufschiebend bedingten Belastung ist der Bedingungseintritt. Bei einer Schenkung gilt als steuerpflichtiger Erwerb grundsätzlich die Bereicherung des Bedachten (§ 1 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 BewG werden Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht berücksichtigt.

Mit dem Ausdruck "Bedingung" knüpft § 6 Abs. 1 BewG an das Bürgerliche Recht an. Bedingung ist danach die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass die Wirkungen des Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen. Gemäß § 158 Abs. 1 BGB tritt die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemachte Wirkung eines Rechtsgeschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung ein. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt.

Tritt die Bedingung ein, ist nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 BewG die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern, zu denen auch die Schenkungsteuer gehört, auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen. Die abzugsfähigen Verbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG).

Eine bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten. Zugrunde zu legen ist der bei Bedingungseintritt geltende Vervielfältiger gemäß § 14 Abs. 1 BewG. Die bedingte Last ist für den Zeitraum des Schwebezustands zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt nicht nach § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen. Die Vorschrift ermöglicht keine Abzinsung im Hinblick auf die rechtsgeschäftliche Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung, die auch im Bewertungsrecht zu einem Schwebezustand der zukünftigen Forderung führt. §§ 4 ff. BewG bestimmen für den bedingten Erwerb entsprechend der bürgerlich-rechtlichen Regelung ausdrücklich, dass der Schwebezustand bewertungsrechtlich unberücksichtigt bleibt.

Im Streitfall war daher die Rentenlast nicht auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung abzuzinsen, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG nicht erfüllt waren.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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