25.11.2020

Keine Anwendung des § 68 FGO auf Einzelveranlagungsbescheide bei ursprünglich angefochtenem Zusammenveranlagungsbescheid

Zwar entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Vorschrift des § 68 FGO aus Gründen der Prozessökonomie weit auszulegen ist. Beide Verwaltungsakte müssen aber einen, zumindest teilweise, identischen Regelungsbereich haben. Diese Voraussetzungen sind beim Wechsel der Veranlagungsart aber nicht erfüllt.

FG Köln v. 10.9.2020 - 5 K 2277/19
Der Sachverhalt:
Mit Schriftsatz vom 5.11.2019 hatten die Kläger ihre Klage gegen den Zusammenveranlagungsbescheid begründet und beantragten "vorbehaltlich einer Erweiterung des Klageantrages", den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 8.8.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.8.2019 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer unter Freistellung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit des Ehemannes i.H.v. 54.519 € gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG niedriger festgesetzt wird. Darüber hinaus beantragten die Kläger, sie gem. § 26 Abs. 2 EStG einzelnen zur Einkommensteuer zu veranlagen, sowie gem. § 26a Abs. 2 EStG den Abzug der Sonderausgaben, der außergewöhnlichen Belastungen und der Steuerermäßigung nach § 35a EStG jeweils zur Hälfte zu berücksichtigen.

Der Finanzamt teilte am 12.11.2019 mit, dass es den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 8.8.2019 aufheben und den Antrag der Kläger auf Einzelveranlagung durchführen werde. Damit könne eine Sachentscheidung betreffend den mit der Klage angefochtenen Zusammenveranlagungsbescheid nicht mehr ergehen. Die Behörde erklärte daraufhin die Hauptsache für erledigt. Hierauf teilten die Prozessvertreter der Kläger mit Schriftsatz vom 20.11.2019 mit, dass sie den Antrag auf Einzelveranlagung zurücknähmen.

Nachdem die Sache nach Überzeugung des erkennenden Senats unter Berücksichtigung des bisherigen Klageantrages entscheidungsreif war, legten die Prozessvertreter im Termin einen vom bisher formulierten Klageantrag abweichenden schriftlich formulierten Klageantrag vor. Danach war das Begehren der Kläger dahingehend formuliert, den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 8.8.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.8.2019 aufzuheben und die Kläger gem. § 26 Abs. 2 EStG einzeln zur Einkommensteuer zu veranlagen sowie gem. § 26a Abs. 2 EStG den Abzug der Sonderausgaben, der außergewöhnlichen Belastungen und der Steuerermäßigung nach § 35a EStG jeweils zur Hälfte zu berücksichtigen und beim Kläger die Einkommensteuer unter Freistellung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit i.H.v. 64.870 € gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 und § 34 EStG und unter Anwendung der tariflichen Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 6.992 € gem. § 32d Abs. 6 EStG niedriger festzusetzen.

Daraufhin hob das Finanzamt entsprechend dem Klageantrag in der mündlichen Verhandlung mit Verfügung vom 15.7.2020 den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2016 auf und erklärte gleichzeitig den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Einzelveranlagungsbescheide für die Kläger erließ es ebenfalls am 15.7.2020. Mit Schriftsatz vom 19.8.2020 teilten die Kläger mit, dass sie den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärten. Der Rechtsstreit sei durch den Erlass der Einzelveranlagungsbescheide vom 15.7.2020 nicht beendet worden. Vielmehr ersetzten die Einzelveranlagungsbescheide den Zusammenveranlagungsbescheid vom 8.8.2019 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13.8.2019. Die Einzelveranlagungsbescheide seien keine Änderungsbescheide, sondern den ursprünglichen Zusammenveranlagungsbescheid ersetzende Bescheide.

Im Übrigen sei der Einzelveranlagungsbescheid 2016 betreffend den Ehemann in doppelter Hinsicht rechtswidrig. Zum einen leide dieser Bescheid an denselben rechtlichen, bereits thematisierten Fehlern wie der ursprüngliche Zusammenveranlagungsbescheid. Zum anderen werde das Bruttogehalt des Klägers über den Betrag im Zusammenveranlagungsbescheid hinaus mit verbösernder Wirkung erhöht.

Das Finanzamt wies die Klage ab. Allerdings wurde m Hinblick auf abweichende finanzgerichtliche Rechtsprechung die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: I R 38/20 anhängig.

Die Gründe:
Der Rechtsstreit ist nach Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2016, wodurch die Einkommensteuer durch Zusammenveranlagung der Kläger festgesetzt worden war, in der Hauptsache erledigt. Dem Rechtsstreit mit dem ursprünglichen Klageziel der Änderung des Zusammenveranlagungsbescheides zur Einkommensteuer 2016 wurde durch den diesbezüglichen Aufhebungsbescheid vom 15.7.2020 die Grundlage entzogen.

Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Bescheide zur Einzelveranlagung vom 15.7.2020 nicht gem. § 68 FGO Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden. Der zunächst von den Klägern angefochtene Zusammenveranlagungsbescheid wurde durch den Erlass der Einzelveranlagungsbescheide nicht geändert (vgl. BFH-Beschl. vom 14.6.2016 VII B 47/15). Er wurde vielmehr durch Bescheid vom 15.7.2020 aufgehoben. Dieser Aufhebungsbescheid ersetzte den ursprünglich angefochtenen Steuerbescheid und wurde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens, sodass nunmehr darüber zu entscheiden war, ob durch diesen Bescheid das Klageverfahren in der Hauptsache erledigt wurde, was zu bejahen war, da - wie bereits ausgeführt - Zweifel an der Wirksamkeit dieses Bescheides nicht bestehen.

Die Einzelveranlagungsbescheide vom 15.7.2020 ersetzten den ursprünglich angefochtenen Einkommensteuerbescheid nicht i.S.d. § 68 FGO. Zwar entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Vorschrift des § 68 FGO aus Gründen der Prozessökonomie weit auszulegen ist. Beide Verwaltungsakte müssen aber einen, zumindest teilweise, identischen Regelungsbereich haben (vgl. BFH-Beschl. vom 8.2.2017, III B 66/16). Diese Voraussetzungen sind beim Wechsel der Veranlagungsart nicht erfüllt. Eine Fortführung des anhängigen Klageverfahrens gem. § 68 FGO zur Entscheidung über zwei neue, erstmals getrennt gegen beide Kläger ergangene, Einkommensteuerbescheide ist nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht zulässig.
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