06.07.2011

Keine Aufrechnung gegen ein Körperschaftsteuerguthaben im Insolvenzverfahren

Zwar hat der BGH die Aufrechenbarkeit einer Forderung im Insolvenzverfahren davon abhängig gemacht, dass sie vor Verfahrenseröffnung in ihrem rechtlichen Kern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedarf. Dies hindert aber nicht, bezogen auf Steueransprüche solche Fälle abzugrenzen, in denen der Anspruch nicht durch eine Rechtshandlung i.S.d. BGH begründet wird, sondern kraft Gesetzes entsteht und auch durch dieses Gesetz von vornherein gesichert war.

BFH 23.2.2011, I R 38/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem durch Beschluss vom 31.3.2006 eröffneten Verfahren über das Vermögen einer GmbH. Das Finanzamt hatte im Jahr 2008 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 KStG 2002 zum 31.12.2006 ein Körperschaftsteuerguthaben von 15.740 € ermittelt. Darüber hinaus ermittelte die Behörde gegenüber dem Kläger den Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. auf 15.740 €, wovon auf 2008 ein Betrag von 1.574 € (1/10) entfiel.

Die erste Rate zahlte das Finanzamt dem Kläger aus. Am 6.10.2009 erging eine Umbuchungsmitteilung, wonach die Rate für 2009 nicht ausgezahlt, sondern mit rückständiger Körperschaftsteuer 2000 verrechnet worden sei. Das FG wies die Klage auf Erstattung des Körperschaftsteuerguthabens für 2009 i.H.v. 1.574 € ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Unrecht auf eine Rechtswirksamkeit der Aufrechnungserklärung des Finanzamtes erkannt. In dem Abrechnungsbescheid muss ein erstattungsfähiges Guthaben (Körperschaftsteuerguthaben für 2009) i.H.v. 1.574 € ausgewiesen werden.

Die Aufrechnungserklärung konnte den Erstattungsanspruch des Klägers nicht i.S.d. § 47 AO (i.V.m. § 226 Abs. 1 AO u. § 389 BGB) zum Erlöschen bringen, da eine Aufrechnung - die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur nach Maßgabe der §§ 94 bis 96 InsO zulässig ist - nach § 95 Abs. 1 S. 1 InsO nicht zugelassen war. Das Finanzamt als Insolvenzgläubiger konnte mit Blick auf das Körperschaftsteuerguthaben vor dem 31.12.2006 nicht auf eine "im Entstehen begriffene Aufrechnungslage" vertrauen. Vielmehr war die Behörde die Auszahlung des Guthabens erst am 31.12.2006 - und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 31.3.2006 - insolvenzrechtlich schuldig geworden, und nicht - wie vom FG angenommen - schon mit dem Ablauf des 31.12.2001.

Nach BFH-Rechtsprechung steht es der Anwendung des § 95 Abs. 1 S. 1 InsO nicht entgegen, dass der Anspruch von Bedingungen abhängt, deren Eintritt bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungewiss ist und die herbeizuführen oder zu vereiteln in der Macht des Anspruchsberechtigten oder zumindest eines Dritten steht. Zwar hat der BGH (Urteil v. 29.6.2004, Az.: IX ZR 147/03) die Aufrechenbarkeit einer Forderung im Insolvenzverfahren davon abhängig gemacht, dass sie vor Verfahrenseröffnung in ihrem rechtlichen Kern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen bereits gesichert ist und fällig wird, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedarf. Dies hindert aber nicht, bezogen auf Steueransprüche solche Fälle abzugrenzen, in denen der Anspruch nicht durch eine Rechtshandlung i.S.d. vorgenannten BGH-Entscheidung begründet wird, sondern kraft Gesetzes entsteht und auch durch dieses Gesetz von vornherein gesichert war.

Der zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens führt, war hier nicht vor der Insolvenzeröffnung verwirklicht worden. Zeitlich bestand vielmehr eine Übereinstimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 5 S. 2 KStG 2002 n.F. steuerrechtlich entsteht (hier: Ablauf des 31.12.2006). Mit der Einführung des § 37 Abs. 4 ff. KStG 2002 n.F. hat der Gesetzgeber das Verfahren zur Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens von den Gewinnausschüttungen der Körperschaften und der jährlichen Körperschaftsteuerveranlagung gelöst. Die Vorschrift fingiert für den Auszahlungszeitraum von 10 Jahren (2008 bis 2017) gleichmäßige, offene Gewinnausschüttungen zur Nutzung des Körperschaftsteuerguthabens. Dieser Zahlungsanspruch der Körperschaft ist ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut, das sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz zum 31.12.2006, dem Zeitpunkt seines Entstehens, gewinnerhöhend zu erfassen ist.

Auf dieser Grundlage war der Anspruch auf das Körperschaftsteuerguthaben, auch wenn es materiell um die Rückzahlung von Körperschaftsteuer ging, nicht einem durch Steuervorauszahlungen ausgelösten und nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums entstehenden Erstattungsanspruch gleichzustellen. Das mit seinem Bestand zum 31.12.2000 festgestellte Körperschaftsteuerguthaben stellte keinen aufschiebend bedingten Auszahlungsanspruch i.S.d. § 95 Abs. 1 S. 1 InsO dar.

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