18.01.2012

Keine Aussetzungszinsen für fehlerhaft ausgesetzte Beträge bei vollem Erfolg des Rechtsbehelfs

Für fehlerhaft zu hoch ausgesetzte Beträge können nicht Aussetzungszinsen nach § 237 AO entstehen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache vollen Erfolg gehabt hat. Der "volle Erfolg" wird somit gewissermaßen durch die vollständige Entbindung von der Zinspflicht "prämiert".

BFH 31.8.2011, X R 49/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war Gesellschafterin einer GbR. Während eines Rechtsbehelfsverfahrens, das negative Gewinnfeststellungsbescheide der GbR betraf, war die Aussetzung der Vollziehung gewährt worden. Infolgedessen wurde die Vollziehung der Bescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag aufgehoben. Bei der Berechnung des Aussetzungsbetrages im Rahmen der Folgebescheide setzte das Finanzamt allerdings fehlerhaft einen zu hohen Betrag von der Vollziehung aus.

Im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Feststellungsbescheide obsiegte die Klägerin in vollem Umfang. Wegen der überhöhten Aussetzung hatte sie gleichwohl Nachzahlungen zu leisten. Hierauf setzte das Finanzamt Zinsen fest. Die Klägerin hielt die Zinsfestsetzung für rechtswidrig, da § 237 AO die (teilweise) Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs voraussetze.

Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Da das Rechtsbehelfsverfahren gegen die Grundlagenbescheide in vollem Umfang Erfolg gehabt hatte, war der Tatbestand des § 237 AO nicht erfüllt.

Nach § 237 Abs. 1 S. 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid oder gegen eine Einspruchsentscheidung hiergegen endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Dies gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid oder eine Rechtsbehelfsentscheidung hiergegen die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde (§ 237 Abs. 1 S. 2 AO). Die in S. 1 dieser Vorschrift genannte Voraussetzung, dass ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage "endgültig keinen Erfolg gehabt" haben dürfe, gilt damit auch in den Fällen des S. 2.

An dieser Voraussetzung fehlte es allerdings im Streitfall. Nach Sinn und Zweck der Norm kam eine erweiternde Auslegung der Vorschrift gleichfalls nicht in Betracht. Für die Beurteilung der endgültigen Erfolglosigkeit i.S.d. § 237 Abs. 1 S. 2 AO ist dementsprechend ausschließlich auf das Ergebnis des gegen den Grundlagenbescheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens abzustellen, während die sich auf der Ebene des Folgebescheids ergebende steuerliche Auswirkung unbeachtlich ist.

Der Senat hat dabei nicht verkannt, dass dies in anderen Fällen zu scheinbar unbilligen Ergebnissen führen kann. Der Steuerpflichtige, der mit seinem Rechtsbehelf im Wesentlichen Erfolg hatte und nur zu einem Teil unterlegen blieb, hat Aussetzungszinsen für den gesamten zuviel ausgesetzten Betrag zu zahlen, während derjenige Steuerpflichtige, der vollen Erfolg hatte, hinsichtlich des zuviel ausgesetzten Betrags von der Zinspflicht verschont bleibt. Gerechtfertigt ist diese Differenzierung, weil derjenige, dessen Rechtsbehelf in vollem Umfang Erfolg hat, von der Zinspflicht verschont bleiben soll; der "volle Erfolg" wird gewissermaßen durch die vollständige Entbindung von der Zinspflicht "prämiert".

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BFH PM Nr. 4 vom 18.1.2012
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