23.01.2025

Keine erweiterte Kürzung bei Veräußerung des gesamten Grundbesitzes im Laufe des Erhebungszeitraums

Hat eine Kapitalgesellschaft ihren gesamten Grundbesitz einen Tag vor Ablauf des Erhebungszeitraums ("zu Beginn des 31.12.") veräußert, kann sie die sogenannte erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes nicht in Anspruch nehmen, da sie in diesem Fall nicht ausschließlich grundstücksverwaltend tätig war.

Kurzbesprechung
BFH v. 17.10.2024 - III R 1/23

GewStG § 9 Nr. 1 S 1, GewStG § 9 Nr. 1 S 2, GewStG § 14 S 2
GG Art 20 Abs 3


Streitig war, ob Steuerpflichtigen im Jahr 2016 (Streitjahr) die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG zusteht.

Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist unter anderem, dass das Unternehmen ‑ abgesehen von nach der Rechtsprechung als unschädlich angesehenen Nebentätigkeiten und den in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG zugelassenen Ausnahmen - ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Die in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannte Verwaltung eigenen Kapitalvermögens ist nur dann unschädlich, wenn sie neben der Verwaltung eigenen Grundbesitzes stattfindet, nicht aber, wenn sie vor Beginn oder nach dem Ende einer begünstigten Grundstücksverwaltung die alleinige Tätigkeit darstellt.

Der Begriff der Ausschließlichkeit ist gleichermaßen qualitativ, quantitativ sowie zeitlich zu verstehen. In zeitlicher Hinsicht muss der Unternehmer während des gesamten Erhebungszeitraums der gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG begünstigten Tätigkeit nachgehen. Dies folgt aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer. Die erweiterte Kürzung kann nicht zeitanteilig gewährt werden. Wird nur während eines Teils des Erhebungszeitraums eine nicht begünstigte Tätigkeit ausgeübt, entfallen für den gesamten Erhebungszeitraum die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung.

Der Erhebungszeitraum für die Gewerbesteuer ist grundsätzlich das Kalenderjahr (§ 14 Satz 2 GewStG). Besteht die Gewerbesteuerpflicht nicht während des ganzen Kalenderjahrs, so tritt nach § 14 Satz 3 GewStG an die Stelle des Kalenderjahrs der Zeitraum der Steuerpflicht (abgekürzter Erhebungszeitraum).

Am Erfordernis einer ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fehlt es, wenn ein Unternehmer das letzte oder einzige Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und danach nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt. Eine "technisch bedingte" Ausnahme wird bei einer Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr zugelassen. Ausnahmen von dem Ausschließlichkeitserfordernis wegen Geringfügigkeit aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 GG) sind nicht geboten.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund war der Steuerpflichtigen im Streitjahr die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht zu gewähren. Denn sie hatte in zeitlicher Hinsicht nicht - wie von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gefordert - ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und genutzt oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt. Vielmehr hatte sie ihr einziges Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert, denn nach den Vereinbarungen des Kaufvertrags gingen Besitz, Nutzungen und Gefahr sowie Lasten, Verbrauchskosten, Verkehrssicherungspflicht und Haftung bereits zu Beginn des 31.12.2016 auf die Erwerberin über. Da die Steuerpflichtige als juristische Person über den 30.12.2016 hinaus fortbestand, dauerte auch ihre sachliche Gewerbesteuerpflicht über diesen Tag hinaus an und war der Erhebungszeitraum (Kalenderjahr) nicht abgekürzt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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