02.02.2016

Keine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG für Anteilsvereinigung durch Erwerb von Gesellschaftsanteilen bei Erbauseinandersetzung

Erwirbt ein Miterbe bei der Erbauseinandersetzung einen zum Nachlass gehörenden Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft und führt dieser Erwerb nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu einer Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, ist die Anteilsvereinigung nicht nach § 3 Nr. 3 S. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.

BFH 25.11.2015, II R 35/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger und seine Schwester (S) waren je zur Hälfte Miterben ihrer Ende 2000 verstorbenen Mutter (M). Zum Nachlass der M gehörten u.a. ein Kommanditanteil von 50 Prozent an der A-KG und ein Geschäftsanteil von 50 Prozent an deren vermögensmäßig nicht beteiligter Komplementärin, der B-GmbH. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 8.6.2001 vereinbarten der Kläger und S die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in der Weise, dass der Kläger die Gesellschaftsbeteiligungen und S im Wesentlichen den restlichen Nachlass erhielt.

Die A-KG ist mit 90 Prozent an der grundbesitzenden G-GmbH beteiligt; die weiteren Geschäftsanteile von 10 Prozent hält der Kläger. Kommanditisten der A-KG und Gesellschafter der B-GmbH waren zunächst die Eltern des Klägers jeweils zur Hälfte. Der Kommanditanteil des Vaters und sein Geschäftsanteil an der B-GmbH waren mit seinem Ableben im Jahr 1999 auf den Kläger übergegangen. Nach der Erbauseinandersetzung vom 8.6.2001 über den Nachlass der M war der Kläger alleiniger Kommanditist der A-KG und alleiniger Gesellschafter der B-GmbH. Der Auseinandersetzungsvertrag vom 8.6.2001 wurde vom Notar an die für die A-KG zuständige Veranlagungsstelle mit dem Vermerk "im Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerinteresse" übersandt. Eine Mitteilung an die Grunderwerbsteuerstelle erfolgte nicht.

Nach einer Prüfungsmitteilung vom 24.7.2006 ging das Finanzamt davon aus, dass der Vertrag vom 8.6.2001 beim Kläger zu einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG geführt habe. Der Kläger sei zu 10 Prozent unmittelbar und zu 90 Prozent mittelbar über die A-KG an der grundbesitzenden G-GmbH beteiligt. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 27.6.2007 Grunderwerbsteuer von rd. 83.000 € gegen den Kläger fest, ohne Steuerbefreiungen nach § 3 Nrn. 2 und 3 GrEStG zu berücksichtigen.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die aufgrund der Erbauseinandersetzung eingetretene Anteilsvereinigung ist nicht nach § 3 Nr. 3 GrEStG steuerbefreit.

Mit Abschluss des Erbauseinandersetzungsvertrags vom 8.6.2001 ist gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ein steuerbarer Erwerbsvorgang verwirklicht worden. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 Prozent der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Der Kläger hat aufgrund der Erbauseinandersetzungsvereinbarung die restlichen Anteile an der A-KG und der B-GmbH erhalten, mit der Folge, dass er zu 100 Prozent als Kommanditist an der A-KG und zu 100 Prozent als Gesellschafter an deren Komplementärin, der B-GmbH, beteiligt ist. Damit ist ihm die Beteiligung der A-KG an der grundbesitzenden G-GmbH zuzurechnen.

Der aufgrund der Anteilsvereinigung fingierte Grundstückserwerb des Klägers von der G-GmbH ist nicht nach § 3 Nr. 3 GrEStG steuerbefreit. Erwirbt ein Miterbe bei der Erbauseinandersetzung einen zum Nachlass gehörenden Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft und führt dieser Erwerb nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu einer Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, ist die Anteilsvereinigung nicht nach § 3 Nr. 3 S. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Für die Steuerbefreiung ist an den fiktiven Erwerb des Grundstücks von der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft anzuknüpfen. Der Miterbe erwirbt danach zwar im Rahmen der Erbauseinandersetzung fiktiv ein Grundstück. Dieses Grundstück gehört aber nicht zum Nachlass, sondern ist ein Gesellschaftsgrundstück.

Zudem liegt grunderwerbsteuerrechtlich kein Erwerb von der Erbengemeinschaft, sondern ein Erwerb von der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft vor. Auch zivilrechtlich ist kein Grundstückserwerb, sondern ein Anteilserwerb gegeben. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 3 S. 1 GrEStG kann nicht deshalb gewährt werden, weil der fiktive Grundstückserwerb i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf eine Anteilsübertragung zwischen Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung zurückzuführen ist. Die Rechtsprechung zur Anwendung der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG in Fällen, in denen durch die schenkweise Übertragung des Anteils an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft der Tatbestand einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt wird, ist nicht auf die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 S. 1 GrEStG übertragbar. Nach alldem ist die Vereinigung aller Anteile an der G-GmbH in der Hand des Klägers nicht steuerbefreit, soweit der Kläger Anteile an der A-KG und der B-GmbH aufgrund der Erbauseinandersetzung von S erhalten hat.

Linkhinweis:

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