16.03.2023

Keine Identität zwischen einer Erbengemeinschaft und einer aus den Miterben gebildeten GbR

1. Im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind eine Erbengemeinschaft und eine aus den Miterben gebildete GbR als jeweils selbständige Feststellungssubjekte zu behandeln. Bestehen beide Feststellungssubjekte fort, ist für jedes ein eigenständiges Feststellungsverfahren durchzuführen.
2. Ein identitätswahrender Formwechsel einer Erbengemeinschaft in eine GbR ist nach dem UmwG nicht möglich.
3. Der Grundsatz, dass eine Erbengemeinschaft nebeneinander Gewinn- und Überschusseinkünfte erzielen kann, gilt nicht mehr, wenn diese in eine GbR als "andere Personengesellschaft" i.S. von § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG überführt wird.

Kurzbesprechung
BFH v. 19. 1. 2023 - IV R 5/19

EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr. 2, § 15 Abs 3 Nr. 1, § 15 Abs 4 S 3, § 15 Abs 4 S 4
AO § 179 Abs 2 S 2, § 180 Abs 1 S 1 Nr. 2 Buchst a
BGB § 125 S 1, § 311b Abs 1, § 705, § 2032 Abs 1, § 2033 Abs 2, § 2040 Abs 1


Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben (§ 2032 Abs. 1 BGB). Die Erbengemeinschaft ist zwar wie z.B. die GbR (§§ 705 ff. BGB) eine Gesamthandsgemeinschaft. Sie ist gekennzeichnet durch die Bildung eines gemeinsamen Sondervermögens, das dem Gesamthandszweck gewidmet und rechtlich vom Privatvermögen der Gesamthänder derart getrennt ist, dass diese über die einzelnen Gegenstände ihres Sondervermögens nur gemeinsam "zur gesamten Hand" verfügen können (§ 2040 Abs. 1 BGB), während jedem Einzelnen die Verfügung über seinen Anteil an den einzelnen Gegenständen verwehrt ist (§ 2033 Abs. 2 BGB).

Sie beruht jedoch nicht auf einem freien Willensentschluss der Miterben, sondern auf gesetzlicher Erbfolgeordnung, dem Entschluss des Erblassers oder beidem. Sie ist keine werbende Gemeinschaft, sondern erreicht ihren Zweck schon dadurch, dass sie das Vermögen zur Befriedigung der Nachlassgläubiger und zum besten Nutzen der Miterben erhält. Insoweit lässt sich die Erbengemeinschaft im Gegensatz zu einer Personengesellschaft, die auf Willensübereinstimmung beruht und einen gemeinsamen Zweck verfolgt, auch als Zufallsgemeinschaft auf gesetzlicher Grundlage verstehen, der ein gemeinsamer Zweck fehlt.

Anders als Personengesellschaften, die, abgesehen von Gelegenheitsgesellschaften, grundsätzlich auf Dauer ausgelegt sind, ist die Erbengemeinschaft von vornherein auf ihre Beendigung durch Erbauseinandersetzung angelegt. Dabei können sich die Miterben auch dahingehend auseinandersetzen, dass sie zukünftig im Rahmen einer Personengesellschaft einen gemeinsamen Zweck verfolgen wollen. Die Auseinandersetzung kann dann in der Weise erfolgen, dass die Erbengemeinschaft (notwendig im Wege der Einzelrechtsübertragung) den gesamten Nachlass in Bruchteilseigentum einer von den (bisherigen) Miterben gebildeten GbR überträgt.

Dagegen ist ein identitätswahrender Formwechsel einer Erbengemeinschaft in eine GbR nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) nach Auffassung des BFH nicht möglich.

Sind alle Erbteile auf eine durch die Miterben gebildete Personengesellschaft übergegangen, so ist die Erbengemeinschaft beendet. Kommt nur eine "Umwandlung" der Erbengemeinschaft in eine GbR im Wege der Einzelrechtsnachfolge, d.h. durch Gründung der Gesellschaft und Einlageleistung in Betracht und gehören ‑ wie im Streitfall ‑ zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft ein oder mehrere Grundstücke, so kann sich eine solche "Umwandlung" insbesondere aus folgenden Umständen ergeben.
  • Es muss der gemeinsame Wille der Miterben (z.B. in vertraglicher Form) ersichtlich sein, sich zum Zwecke des Haltens und Verwaltens eines oder mehrerer Grundstücke als Gesellschaft.
  • Da auch mit der Verpflichtung der Miterben, den erbengemeinschaftlichen Grundbesitz in eine unter ihnen zu bildende Gesellschaft zu überführen, eine Änderung der Eigentumszuordnung verbunden wäre, bedarf ein entsprechender Gesellschaftsvertrag gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB auch notarieller Beurkundung und ist ohne eine solche Beurkundung gemäß § 125 Satz 1 BGB formnichtig. Sollte danach ein von den Miterben (Geschwistern) ggf. abgeschlossener Gesellschaftsvertrag zivilrechtlich unwirksam sein, wäre unter Berücksichtigung der bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen anzuwendenden Rechtsprechungsgrundsätze zu prüfen, ob der Gesellschaftsvertrag gleichwohl der Besteuerung zugrunde gelegt werden könnte; unter Umständen könnte in diesem Zusammenhang auch die Vorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO zu beachten sein.
  • Eine GbR kann auch unter der Bezeichnung in das Grundbuch eingetragen werden, die ihre Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag für sie vorgesehen haben; einer zusätzlichen Eintragung ihrer Gesellschafter bedarf es nicht.


Es ergeben sich unterschiedliche steuerliche Folgerungen, je nachdem, ob allein die Steuerpflichtige (GbR) in den Streitjahren existiert hat oder daneben auch noch die Erbengemeinschaft.

Soweit die Erbengemeinschaft in den Streitjahren weiterhin existiert hat, gäbe es neben der Steuerpflichtigen ein weiteres Feststellungssubjekt. Soweit die Erbengemeinschaft wirksam in die Steuerpflichtige als GbR überführt worden wäre, kämen die für eine Erbengemeinschaft geltenden Grundsätze der Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht mehr zum Tragen.

Da das FG keine Feststellungen zu einer "Umwandlung" der Erbengemeinschaft in eine GbR im Wege der Einzelrechtsnachfolge getroffen hatte, verwies der BFH den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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