03.04.2013

Keine Steuerhinterziehung bei Geltendmachung eines vom Finanzamt fehlerhaft festgestellten Verlustvortrags

Wer eine fehlerfreie Steuererklärung mit den erforderlichen Informationen abgegeben hat, begeht keine Steuerhinterziehung, wenn er in einem Folgejahr einen vom Finanzamt zu Unrecht bestandskräftig festgestellten Verlustvortrag geltend macht; der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, Fehler des Finanzamts richtig zu stellen. Ein Veranlagungsfehler des Finanzamts ist kein Anlass für die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung i.S.d. StraBEG vom 23.12.2003.

BFH 4.12.2012, VIII R 50/10
Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist die Wirksamkeit einer strafbefreienden Erklärung i.S.d. StraBEG streitig. Der Kläger betrieb in den Streitjahren 1999 bis 2001 als selbständiger Internist eine Facharztpraxis. Er gab zunächst keine Steuerklärungen für die Jahre 1999 und 2000 ab. Nach Schätzung durch das Finanzamt erhob der Kläger Einspruch und legte für die beiden Jahre Einkommensteuererklärungen vor. Die Erklärung für 1999 wies Einkünfte des Klägers aus seiner freiberuflich ausgeübten ärztlichen Tätigkeit i.H.v. rd. 1 Mio. DM aus.

Aufgrund dieser Erklärung änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzung für 1999 mit Bescheid von März 2002, erfasste dabei die vom Kläger erklärten (positiven) Einkünfte irrtümlich als negative Einkünfte i.H.v. rd. 1 Mio. DM und stellte einen verbleibenden Verlustvortrag fest. In der Einkommensteuererklärung für den Streitzeitraum nahm der Kläger den festgestellten Verlustvortrag zunächst in Anspruch, erklärte aber dann - im Zusammenhang mit einer Außenprüfung - unter Abgabe einer strafbefreienden Erklärung i.S.d. StraBEG, er habe damit eine Steuerhinterziehung begangen und deshalb für die zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StraBEG (nur) eine Abgabe i.H.v. 25 Prozent dieser Einnahmen zu zahlen.

Das Finanzamt lehnte die strafbefreiende Erklärung für das Jahr 2001 mit Bescheid von November 2005 ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger könne mangels einer Straftat keine strafbefreiende Erklärung abgeben. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht das Vorliegen einer wirksamen strafbefreienden Erklärung des Klägers nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 StraBEG mit der Begründung verneint, der Kläger habe weder - wie von § 1 Abs. 1 StraBEG vorausgesetzt - unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht noch die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen.

Insbes. hat der Kläger mit diesen Erklärungen das Finanzamt nicht "pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen" und damit i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO den Tatbestand der Steuerhinterziehung begangen. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der Steuerpflichtige im konkreten Fall verpflichtet ist, der Finanzbehörde bestimmte steuerlich erhebliche Tatsachen zur Kenntnis zu bringen. Steuerlich erhebliche Tatsache ist vorliegend der Umstand, dass der Kläger in den Jahren 1999 und 2000 positive Einkünfte erzielt hat. Hinsichtlich dieser Tatsache fehlt es an einer Unkenntnis der Finanzbehörde i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, nachdem diese Einkünfte vom Kläger ordnungsgemäß erklärt worden waren.

Hat nämlich die Finanzbehörde die erforderlichen Informationen erhalten (hier im Streitfall durch die Steuererklärungen des Klägers), so scheidet eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen aus. Abgesehen davon setzt die Anwendung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO auch nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass der Steuerpflichtige dem Finanzamt steuerlich erhebliche Informationen vorenthält. Eine darüber hinausgehende Pflicht des Steuerpflichtigen, das Finanzamt auf ihm selbst unterlaufene und aus den Steuerakten ersichtliche Fehler sowie auf eine sich daraus ergebende Möglichkeit zur Änderung von Steuerbescheiden zu Lasten des Steuerpflichtigen hinzuweisen, ist nicht gegeben.

Denn eine Garantenstellung als Voraussetzung für die Pflicht zur Mitwirkung an der Korrektur von Steuerbescheiden setzt jedenfalls ein vorangegangenes pflichtwidriges Tun, "ein pflichtwidriges gefährdendes Vorverhalten" voraus, das im Streitfall angesichts der ordnungsgemäß abgegebenen Steuererklärungen ersichtlich nicht gegeben ist. Auch § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO sieht eine Berichtigungspflicht im Anschluss an eine abgegebene Steuererklärung u.a. nur vor, wenn diese Erklärung "unrichtig oder unvollständig" war.

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BFH PM Nr. 19 vom 3.4.2013
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