02.03.2022

Keine Umsatzsteuer für Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen

Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen sind umsatzsteuerfrei. Hierzu gehören etwa verschiedene Betreuungsleistungen im Rahmen der ambulanten Pflege, aber auch die Bereitstellung eines Notrufdienstes und bedarfsweise die kurzfristige Übernahme pflegerischer Leistungen, die hauswirtschaftliche Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung.

FG Münster v. 25.1.2022, 15 K 3554/18 U
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH, die eine Seniorenresidenz bestehend aus einem Pflegeheim und sieben Wohnungen des betreuten Wohnens betreibt. Die Wohnungen befinden sich im Gebäude des Pflegeheims. Mit den Bewohnern des betreuten Wohnens hatte die Klägerin Betreuungsverträge abgeschlossen, die diverse Leistungen einer (erweiterten) Grundversorgung und Wahlleistungen einschließlich eines Notrufsystems umfassten. Die Leistungen wurden durch das im Pflegeheim eingesetzte Personal erbracht.

Die Klägerin war der Ansicht, dass ihre Umsätze teilweise steuerfrei seien, soweit die entsprechenden Leistungen eng mit der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen zusammenhingen. Dem folgte das Finanzamt im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagungen der Streitjahre 2009 bis 2014 allerdings nicht. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Die Gründe:
Die gegenüber einzelnen Bewohnern erbrachten Umsätze des betreuten Wohnens sind in dem von der Klägerin beantragten Umfang gem. § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei.

Nach dieser Vorschrift sind eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen steuerfrei, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder bestimmten Einrichtungen erbracht werden. Im vorliegenden Fall zählen die Bewohner des betreuten Wohnens zum Kreis der hilfsbedürftigen Personen i.S.v. § 4 Nr. 16 Satz 1 Hs. 1 UStG, weil sie an altersbedingten Einschränkungen der Alltagskompetenzen leiden.

Die von der Klägerin im Rahmen des betreuten Wohnens erbrachten Leistungen sind eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden. Denn die Klägerin bietet den Bewohnern des betreuten Wohnens ein breites Angebot an Leistungen an, die zur ambulanten Pflege gehören und der Altenhilfe i.S.d. § 71 SGB XII zuzurechnen sind. Hierzu gehören etwa verschiedene Betreuungsleistungen im Rahmen der ambulanten Pflege, aber auch die Bereitstellung eines Notrufdienstes und bedarfsweise die kurzfristige Übernahme pflegerischer Leistungen, die hauswirtschaftliche Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung. Auch soweit diese Leistungen der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienen, sind diese spezifisch auf die Behebung altersspezifischer Einschränkungen gerichtet, weil auch diese Leistungen durch das im Pflegeheim eingesetzte und hierfür geschulte Personal erbracht werden.

Da die Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem betreuten Wohnen bereits nach § 4 Nr. 16 Satz 1 UStG steuerbefreit sind, brauchte nicht darüber zu entschieden werden, ob die Vorschrift mit Unionsrecht unvereinbar ist und die Leistungen der Klägerin aus dem betreuten Wohnen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie umsatzsteuerfrei wären.

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