10.05.2012

Kinderfreibeträge: Zur Ermittlung des Grenzbetrages bei später zufließenden Veräußerungsgewinnen

Erzielt ein Kind Gewinneinkünfte i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG, sind diese auch im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG nicht nach dem Zuflussprinzip zu erfassen, soweit sich aus den Regeln über die Gewinnermittlung ein abweichender Realisationszeitpunkt ergibt. Ein gewerblicher Veräußerungsgewinn, der nach § 16 Abs. 2 S. 2 EStG aufgrund des Veräußerungszeitpunkts im laufenden Veranlagungszeitraum zu erfassen ist, muss nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes für das laufende Kalenderjahr auch dann berücksichtigt werden, wenn er ihm tatsächlich erst danach zufließt.

BFH 22.12.2011, III R 69/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte sich bereits vor dem Streitjahr 2004 an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft mit einer Einlage von 153.387 € atypisch still beteiligt. Die Beteiligung wurde von einer Treuhand-GmbH gehalten, deren Geschäftsführer ebenfalls der Kläger war. Die atypisch stille Gesellschaft begann nach § 3 des Gesellschaftsvertrags am 1.12.1992 und bis zum 31.12.2004 fest vereinbart. Das Auseinandersetzungsguthaben war nach § 12.4 des Gesellschaftsvertrags unabhängig von dem Zeitpunkt und den Gründen des Ausscheidens aus der stillen Gesellschaft bzw. ihrer Beendigung erst zum 31.12.2005 zahlbar.

Im Januar 2003 übertrug der Kläger die Beteiligung vor dem Hintergrund des für 2004 anstehenden Veräußerungsgewinns je zur Hälfte auf seine Kinder, die sich während des ganzen Jahres 2004 in Berufsausbildung befanden. Die stille Beteiligung wurde vertragsgemäß gekündigt. Die Auseinandersetzungsguthaben wurden am 31.12.2005 ausgezahlt. Die für den Veranlagungszeitraum 2004 auf die Kinder entfallenden Anteile am laufenden Gewinn betrug jeweils 2.930 €, der Veräußerungsgewinn betrug jeweils 59.923 €.

Das Finanzamt lehnte mit Einkommensteuerbescheid 2004 die Gewährung der Kinderfreibeträge für die beiden Kinder mit der Begründung ab, dass deren eigene Einkünfte in 2004 über dem Höchstbetrag gelegen hätten. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Der Kläger war der Ansicht, dass FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass auch Einkünfte, die erst am 31.12.2005 zugeflossen seien, geeignet seien, den Unterhalt und die Kosten der Berufsausbildung im Streitjahr 2004 zu bestreiten. Die Revision des Klägers vor dem BFH blieb allerdings erfolglos.

Die Gründe:
Das Finanzamt hatte zu Recht bei der nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG durchzuführenden Berechnung der Einkünfte der Kinder auch die Gewinne aus der Veräußerung der atypisch stillen Beteiligungen berücksichtigt.

Für die zeitliche Zuordnung der Einkünfte war auf den Einkünftebegriff des § 2 Abs. 2 EStG abzustellen. Daher war das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 S. 1 EStG nur im Rahmen der Überschusseinkunftsarten des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzuwenden und ließ nach § 11 Abs. 1 S. 4 EStG dagegen die für die Gewinneinkunftsarten des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG geltenden Sondervorschriften unberührt. Der Zeitpunkt der Veräußerung ist dabei bestimmend für den Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung, und zwar unabhängig davon, ob der Veräußerungserlös sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Erlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt.

Im vorliegenden Fall wurde die atypisch stille Gesellschaft zum 31.12.2004 gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Ausscheiden aus der Gesellschaft wirksam. Dass der auf den 31.12.2004 festzustellende Anspruch auf das Gesamtauseinandersetzungsguthaben nach § 12.4 des Gesellschaftsvertrags erst zum 31.12.2005 fällig war, war unbedeutend für den Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung.

Bei Gewinnen, die nach den Gewinnermittlungsgrundsätzen des § 4 Abs. 1 bzw. § 5 Abs. 1 EStG realisiert sind, bei dem Kind aber im Realisierungszeitpunkt tatsächlich noch zu keinem Liquiditätszufluss geführt haben, handelt es sich weder um Einkünfte, die dem Kind von Gesetzes wegen nicht zur Verfügung stehen, noch um solche, die durch unvermeidbare (zwangsläufige) Aufwendungen gebunden sind und daher nicht zur Bestreitung des Existenzminimums zur Verfügung stehen. Vielmehr erhöhen auch solche Gewinne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kindes im Kalenderjahr der Gewinnentstehung und sind zur Bestreitung des Unterhalts des Kindes geeignet. Darüber hinaus wurde hier eine Verfügungsmöglichkeit der Kinder über ihre Abfindungsansprüche nicht durch die fehlende Fälligkeit der Ansprüche ausgeschlossen. Vielmehr konnten die Kinder bereits im Kalenderjahr 2004 über diese Ansprüche verfügen, z.B. durch Abtretung oder Verpfändung an die Kläger oder an Dritte.

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