25.10.2012

Kindergeld: Antrags auf Leistungen nach dem SGB II kann gleichzeitig Meldung als Arbeitsuchender sein

In Fällen, in denen ein Kind nach Ende einer Berufsausbildung arbeitslos wird und dies im Rahmen des Antrags auf Bezug von Leistungen nach dem SGB II der dafür zuständigen Stelle mitteilt, ist gleichzeitig eine Meldung als Arbeitsuchender i.S.d. § 122 SGB III anzunehmen. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG verlangt nicht zusätzlich eine "ausdrückliche" Meldung als Arbeitsuchende.

BFH 26.7.2012, VI R 98/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte bis Juli 2006 für ihre heute 24-jährige Tochter Kindergeld bezogen. Diese absolvierte von August 2004 bis Juli 2006 eine Ausbildung zur staatlich geprüften Kosmetikerin ohne Ausbildungsvergütung. Im Februar 2006 bewilligte ARGE der Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, und zwar befristet bis zum 31.8.2006. Wegen Wegfalls der bis zum 31.7.2006 ebenfalls gewährten Leistungen nach dem BAföG bewilligte die ARGE erhöhte Leistungen für die Zeit ab 1.8.2006 bzw. 1.9.2006 bis 31.8.2006 bzw. 30.11.2006.

Am 4.9. bzw. 6.11.2006 beantragte die Klägerin die Festsetzung von Kindergeld für ab August 2006. Dies lehnte die Familienkasse, nachdem die ARGE mitgeteilt hatte, dass die Tochter dort nicht arbeitsuchend gemeldet sei. Auf den Einspruch der Klägerin setzte die Familienkasse Kindergeld ab November 2006 fest. Hinsichtlich des Zeitraums August bis Oktober 2006 blieb es dagegen bei der Ablehnung.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Familienkasse sah darin eine fehlerhafte Anwendung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG. Ihre Revision vor dem BFH blieb allerdings erfolglos.

Die Gründe:
Der Klägerin steht für den Streitzeitraum August bis Oktober 2006 ein Kindergeldanspruch für ihre Tochter zu.

Seit der Neufassung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG im Dezember 2002 genügt die Meldung als Arbeitsuchender bei einer Agentur für Arbeit. Die übrigen Merkmale der Arbeitslosigkeit i.S.d. § 119 Abs. 1SGB III, wie Eigenbemühungen und Verfügbarkeit, müssen nicht mehr nachgewiesen werden. Neben der Bescheinigung der Meldung als Arbeitsuchender durch die Agentur für Arbeit dient auch der Nachweis der Arbeitslosigkeit oder des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem SGB III als Nachweis der Meldung als Arbeitsuchender.

Zwar werden Leistungen nach dem SGB II nur auf Antrag erbracht. Auch ist für den Bezug dieser Leistungen keine ausdrückliche Arbeitsmeldung i.S.d. § 122 Abs. 1 SGB III erforderlich. Vielmehr muss mit dem Antrag nur zum Ausdruck gebracht werden, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Dennoch kann sich angesichts der Aufgabe und des Ziels des SGB II zumindest aus den Umständen des Einzelfalls ergeben, dass der erwähnte Antrag die Meldung als Arbeitsuchender einschließt. Als Arbeitsuchender gemeldet ist nämlich, wer gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit oder ARGE persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt. Davon war im Streitfall auszugehen.

Die Tochter der Klägerin hatte im Zusammenhang mit der Antragstellung im Mai 2006 die ARGE über ihre Beschäftigungslosigkeit nach Ausbildungsende "persönlich" in Kenntnis gesetzt und sich damit als arbeitsuchend gemeldet. Die ARGE war ab diesem Zeitpunkt in der Lage, ihrer Verpflichtung gem. § 3 Abs. 2 SGB II nachzukommen und Vermittlungsbemühungen zu starten, um die Arbeitslosigkeit möglichst rasch zu beseitigen. Die Mitteilung erfüllte durchaus die Voraussetzungen des § 122 SGB III. Entgegen der Auffassung der Familienkasse verlangt § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG nämlich nicht zusätzlich eine "ausdrückliche" Meldung als Arbeitsuchende. Es war Aufgabe der ARGE, die Anzeige der Arbeitslosigkeit der Familienkasse mitzuteilen. Dass dies unterblieb war, konnte nicht der Klägerin angelastet werden.

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