01.12.2022

Kindergeldanspruch; Wegfall der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG

1. Hat die Agentur für Arbeit das arbeitsuchende Kind aus der Vermittlung abgemeldet, fehlt es aber an einer wirksamen Bekanntgabe der Einstellungsverfügung oder an einer einvernehmlichen Beendigung der Arbeitsuchendmeldung, hängt der Fortbestand der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG davon ab, ob das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hat, welche die Agentur für Arbeit nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III (in der Fassung vom 20.12.2011) zur Einstellung der Vermittlung berechtigt hat (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. Weder die Löschung der Registrierung noch die einvernehmliche Beendigung eines Berufsberatungstermins führen zum Wegfall der Arbeitsuchendmeldung.

Kurzbesprechung
BFH v. 22. 9. 2022 - III R 37/21

EStG § 32 Abs 4 S 1 Nr. 1
SGB 3 § 38 Abs 3 S 2, 3 § 38 Abs 4


Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Bei einer Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet ist, wer gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt.

Der Registrierung des arbeitsuchenden Kindes und einer etwaigen daran anknüpfenden Bescheinigung kommt keine (echte) Tatbestandswirkung für den Kindergeldanspruch zu. Entscheidend ist, ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender gemeldet hat.

Im Streitfall ging es allein um die Frage, ob der von dem Kind im Monat Oktober 2018 begründete Status als arbeitsuchend durchgehend im Streitzeitraum bestanden hatte.

Da keine ausdrückliche steuerrechtliche Regelung besteht, wann der durch eine Meldung als Arbeitsuchender begründete Status wieder entfällt, sind für das Kindergeldrecht insoweit die Vorschriften des Sozialrechts, hier insbesondere § 38 des Sozialgesetzbuches (SGB) III in der Fassung vom 20.12.2011, heranzuziehen.

Zwar setzt der Wegfall der Wirkung einer Meldung als Arbeitsuchender nicht konstitutiv die wirksame Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung voraus. Der Fortbestand der Meldung als Arbeitsuchender hängt dann davon ab, ob das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hat, welche die Arbeitsagentur nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III zur Einstellung der Vermittlung berechtigt. Liegt hingegen eine die Arbeitsagentur zur Einstellung berechtigende Pflichtverletzung nicht vor, entfällt die Wirkung einer Meldung als Arbeitsuchender nur, wenn das Kind von sich aus die Beendigung der Arbeitsuchendmeldung verlangt (§ 38 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III analog) oder die wirksame Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung (Verwaltungsakt) vorliegt.

Ist die Vermittlung mangels einer beachtlichen Pflichtverletzung des arbeitsuchenden Kindes zu Unrecht eingestellt worden und fehlt es auch an einer wirksamen Einstellungsverfügung oder eines Antrags des Kindes auf Beendigung der Arbeitssuche, besteht die Arbeitsuchendmeldung für Zwecke des Kindergeldrechts grundsätzlich zeitlich unbefristet ‑ ggf. bis zum Erreichen des 21. Lebensjahres ‑ fort.

Im Streitfall lag keine wirksam bekanntgegebene Einstellungsverfügung vor. Dem Kind war bei einem Berufsberatungstermin zwar klar gewesen, dass es dabei nicht als arbeitsuchend aufgenommen worden war. Eine (mündliche, § 33 Abs. 2 SGB X) Bekanntgabe einer Einstellungsverfügung war jedoch nicht erfolgt. Selbst wenn die Registrierung des Kindes als arbeitssuchend vor oder nach dem Berufsberatungstermin gelöscht worden sein sollte, handelte es sich allenfalls um einen Realakt, dem selbst keine Tatbestandswirkung beizumessen ist.

Ob das Kind einen derartigen Realakt ‑ seine Existenz unterstellt ‑ kannte oder kennen musste, ist ohne Belang. Ebenfalls konnte im Streitfall keine Pflichtverletzung i.S. von § 38 SGB III festgestellt werden. Denn es bestanden weder Anhaltspunkte dafür noch hatte das FG entsprechende Feststellungen getroffen, dass das Kind die ihr entweder nach § 38 Abs. 2 SGB III oder einer Eingliederungsvereinbarung oder einem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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